Datenschutzrechtlich heikel, teuer, undurchsichtig – der Einsatz proprietärer Software ist nun gerade nicht das, was man heute mit Digitaler Souveränität verbinden dürfte. Dabei ist die Durchdringung mit Produkten der Firma Microsoft noch immer extrem hoch. Eine Alternative sind Anwendungen basierend auf Open Source. Wichtiger noch als die tatsächliche Lösung ist aber der Umstand, überhaupt eine Wahl zu haben.
Im Oktober 2019 veranlasste die US-amerikanische Regierung unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump einen Stopp aller Transaktionen zwischen Unternehmen aus den USA und Venezuela. Betroffen von den Sanktionen war damals u. a. auf der Software-Hersteller Adobe, der den Zugriff auf seine Creative-Cloud für Nutzer aus Venezuela sperren sollte. Nach Gesprächen mit der Regierung wurde die Order kurz vor Deaktivierung zurückgenommen. Doch da war das Gespenst bereits in den Köpfen. Nun ist Donald Trump nicht mehr im Amt, die Furcht vor dem digitalen Shutdown aber ist geblieben. Auch in Deutschland mehren sich nun schon seit längerem Stimmen, die fordern, im Sinne digitaler Souveränität die bisherige Abhängigkeit von Tech-Giganten des Auslands zu verringern. Dabei sei die Durchdringung, die man vor allem im Bereich der Software habe, noch immer“ gigantisch“, sagt Dr. Hartmut Schubert, Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium und Beauftragter des Freistaats für E-Government und IT (CIO). Zwar sei die Wahrscheinlichkeit sehr gering, doch müsse man zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ein ähnliches Szenario wie in Venezuela auch hierzulande stattfinden könne.
Alleskönner Open Source?
Ein strategischer Hebel auf dem Weg hin zu mehr digitaler Selbstbestimmung ist die Open Source-Technologie. Im Gegensatz zu proprietären Produkten setzt Open Source – der Name kündigt es an – auf offene Quellcodes, was auch Modelle kooperativer Weiterentwicklung ermöglicht. Das birgt vielerlei Vorteile, die nun auch die Verwaltung u. a. im Rahmen der Strategie „Einer-für-Alle“ (EfA) für sich nutzen will. Im Freistaat Thüringen beispielsweise verpflichtet das E-Government-Gesetz des Landes schon heute dazu, bei jeder Software-Neuanschaffung zu prüfen, ob Alternativen auf Basis von Open Source bereitstehen. Obwohl sich die Lage inzwischen gebessert habe, stehe der große Schritt bei Open Source Software noch aus, räumt Schubert ein. Als einen Grund für den mitunter noch zögerlichen Einsatz macht der Landes-CIO auch Bequemlichkeiten auf Nutzerseite aus, zumal bei Anwendungen, die schon länger in Gebrauch sind. Hinzukämen Komplexitätshürden, sodass in einigen Fällen keine einschlägige Lösung als Open Source bereitstehe. „Es wird auch immer Anwendungen geben, wo wir auf proprietäre Software zurückgreifen müssen“, so der CIO. Dennoch müsse langfristig vorgegeben werden, auf offenen Quellcode umzusteigen. Sowohl mit Blick auf finanzielle Einsparungen als auch bei der Durchsetzung strategischer Autonomie.
Am Ende zählt die Wahl
Doch fällt auch freie Software nicht vom Himmel. Sie muss entwickelt, implementiert und userseitig angenommen werden. Das ist manchmal kostenintensiv und kann wie etwa im Fall der bayerischen Landeshauptstadt München gehörig nach hinten losgehen. So hatte sich der Stadtrat im Jahr 2003 dafür entschieden, einen Gutteil seiner Arbeitsplätze auf Open Source umzurüsten. Knapp zehn Jahre später war die Migration auf „LiMux“ abgeschlossen – nur, um wenige Jahre später wieder kassiert und durch proprietäre Software aus dem Hause Microsoft ausgetauscht zu werden. Im letzten Jahr wurde nun die Kehrtwende der Kehrtwende bekannt gegeben. Für eine konsequente Open Source-Politik sicherlich ein Eigentor. Doch darf dabei nicht vergessen werden, dass die Sensibilität für Abhängigkeiten damals eine andere war als heute. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat nochmals gezeigt geführt, wie wichtig digitale Wege und Lösungen für das Funktionieren von Staat und Verwaltung heute schon sind. Ob mit Microsoft oder ohne – am Ende wird es darauf ankommen, überhaupt die Wahl zu haben.