Freitag, 29. März 2024

Am Puls der Bevölkerung

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Die Polizeien von Bund und Ländern sind fest in der Hand des demografischen Wandels. Nicht erst heute wissen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innenvertretungen, dass die Pensionswelle unaufhörlich rollt bei sich mehrenden Aufgaben für die Polizeien von Bund und Ländern. Sozusagen kurz vor zwölf haben Bund und Länder reagiert, investiert und Sicherheitspakete aufgelegt, um die drohenden Personallücken zu schließen. Besser spät als nie darf man konstatieren. Die Realität sieht nun so aus, dass vielerorts im urbanen Bereich viele jüngere Kolleg*innen eingesetzt sind und im ländlichen Bereich der Altersdurchschnitt deutlich höher ist.

Aber die vielleicht größte Herausforderungen wartet noch. Verdiente Führungskräfte gehen in den Ruhestand und mit ihnen verlässt auch viel Wissen und Erfahrung das jeweilige Amt. Polizeidienst ist und bleibt letztlich auch ein Erfahrungsberuf. Dieses Wissen in dieser kurzen Zeitspanne zu transferieren ist kaum zu leisten. Und wäre dies nicht Herausforderung genug, gilt es für die jungen Führungskräfte die Generationen Z und folgende an den Polizeidienst heranzuführen, aber auch gegenüber den älteren Kolleg*innen die notwendige Akzeptanz als Nachwuchskraft zu erlangen. Und sozusagen by the way gilt es noch der Digitalisierung den Weg in die Polizeien zu ebnen.

(Foto: Foto: GdP/Hagen Immel)

An erster Stelle steht selbstredend die Aufgabenerfüllung, das heißt konkret die Arbeit mit den Menschen in diesem Land. Momentan stellen wir eine Individualisierung von Bedürfnissen und eine vielschichtige Gesellschaft fest. Führungskräfte und ihre Kolleg*innen werden hier immer am Puls der Bevölkerung sein und die Stimmungslage spüren und zu spüren bekommen. Mal als Freund und Helfer, mal als Prellbock gesellschaftlicher Spannungen. Es heißt man solle gesellschaftliche Probleme nicht mit Polizei lösen, jedoch sind wir diejenigen, die nah an den Menschen sind und ihre Sorgen und Nöte aufnehmen müssen. It´s part of the job!

Auf der anderen Seite muss jedoch immer oberstes Gebot sein, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Mit der nötigen Stringenz und Bestimmtheit – bei maximaler Sensibilität. Der Fokus und der Blick auf die Polizei sind ein anderer, dessen müssen wir uns Gewahr sein. Wer sich für den Polizeidienst, insbesondere im Führungsbereich, entscheidet, betritt eine Bühne – Verpflichtung und Vertrauen gleichermaßen. Und gerade durch die sozialen Medien steht man potenziell immer unter Beobachtung. Die Erwartungen an den Staat, den Öffentlichen Dienst und die Polizei als Exekutive sind hoch. Zurecht, denn wir üben Staatsgewalt aus und greifen in letzter Konsequenz in Grundrechte ein. Diese Legitimität gilt es Tag für Tag in unserem Handeln zu rechtfertigen. Und Führungskräfte müssen dieses Bewusstsein stets einfordern und fördern, denn die Erfahrungen und Erlebnisse des polizeilichen Alltags wirken auf das Wesen des Menschen. Jedoch sieht unser Berufsstand keinen Platz für Verfärbungen solcher Art. Wir wollen integer und verlässlich sein – jederzeit.

Führungskräfte der Zukunft müssen zweifelsfrei ihr Handwerkszeug beherrschen – das polizeiliche Handeln. Das sichert eine fundierte und professionelle Aus- und Fortbildung. Die viel größere Herausforderung liegt allerdings im Innenverhältnis. Moderne Organisationen leben von agilen Arbeitsmethoden und den selbstbestimmten Entscheidungen von agilen Teams. Doch Agilität bedeutet andere Führungsstile. Die klassische Führung rückt in den Hintergrund und die Personalfürsorge umso mehr in den Vordergrund. Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte als Motivator*innen, Mediator*innen, Coaches und Mentor*innen auftreten. Ihre Hauptaufgabe muss es sein, dass die Beschäftigten ihnen vertrauen, aber auch ein gutes Arbeitsumfeld geboten bekommen. Denn auch Polizeien müssen erkennen: Die Ressource Mensch ist kostbar und gehört gehegt und gepflegt. Deswegen ist dem „Führen“ der Mitarbeiter*innen im Innenverhältnis als im eigentlichen Einsatzgeschehen mindestens die gleiche Bedeutung beizumessen.

Egal über welche Bereiche des Dienstes man spricht: Fortbildung, Förderung, Beurteilung, Vereinbarkeit von Privatem und Beruf. In der Quintessenz laufen alle Fäden bei der Führungskraft bzw. den Vorgesetzten zusammen. Hohe Führungsspannen sind keine Seltenheit und verlangen den Führungskräften viel ab. Darüber hinaus gilt es für die Zukunft die Bereiche des Monitorings und Nachbereitung von Einsatzanlässen mehr in den Fokus zu rücken.

Es gilt auch ein Gespür für das Innenleben des eigenen Dienstbereiches zu haben. Transparenz sowie der offene Umgang mit Problemen im Sinne einer Fehlerkultur sind in der Zukunft unabdingbar. Als Führungskräfte gilt es hier einen Rahmen des Vertrauens zu schaffen, der für diese Dinge den nötigen Platz bietet.

An dieser Stelle gilt es auch nochmal herauszustellen, dass jede Polizei ohne ihre Tarif- und Verwaltungsbereiche nicht auskommen würde. In diesem Zusammenhang lässt sich trefflich über das Sein und Nichtsein von jungen Führungskräften in besagtem Bereich streiten. Nicht erst seit gestern besteht die Polizei neben den klassischen Polizeiberufen aus einer Vielzahl von „zivilen“ Berufen. Schließlich müssen neben dem originären „Geschäft“ auch Angelegenheiten wie Personalgewinnung, Beschaffung, IT-Ausstattung, Serversysteme, App-Entwicklung, Versorgung in Einsatzlagen, etc. geregelt und organisiert werden.

Die deutsche Polizei wird zukünftig massiven Transformationsprozessen unterworfen sein. Die ersten Schatten wirft bereits das Programm Polizei 2020, welches den Anspruch hat, die deutsche Polizei flexibler und moderner zu gestalten.

Insbesondere im Bereich der IT wird es zukünftig noch stärker darauf ankommen, dass im Rahmen der Digitalisierung Führungskräfte im technischen bzw. nicht-technischen Verwaltungsdienst eine immer engere Verzahnung mit den polizeilichen Bereichen aufbauen. Dies wird schließlich auch der Schlüssel sein die Akzeptanz für die zunehmend digitale Polizeiwelt zu schaffen.

Innovationen im Bereich der Digitalisierung sind maßgeblich davon abhängig ob Führungskräfte ihren Beschäftigten die Freiheiten einräumen, um auch „out of the box“ denken zu können. Ebenjene Freiheit, die auch zu einer Wertschätzung der Arbeit der Beschäftigten führt, wird eine der Bedingung dafür sein, dass (insbesondere IT-) Beschäftigte, die gerade keine klassische Polizeiausbildung durchlaufen haben, sich mit der Dienststelle und ihren Aufgaben identifizieren und langfristig diesen Arbeitsplatz attraktiv finden und erhalten bleiben. Schließlich schläft die Konkurrenz nicht.

Am Ende geht es auch darum, dem Bereich Tarif und Verwaltung auch die nötige Anerkennung ihres Wirkens in den Behörden zuzumessen. Demnach gehören diese Bereiche haushalterisch ausgestattet und mit Führungsverantwortung und Aufgaben betraut. Es schafft Attraktivität, Wertschätzung, berufliche Perspektive und letztlich Kontinuität in diesen Bereichen. Ihr Stellenwert und Wirken wird wachsen, darauf gilt es jetzt durch konzeptionelle Personalplanung und die erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen zu reagieren.

Unterm Strich sind die Anforderungen enorm. Arbeitsverdichtung, die digitale Welt und eine sich rasant verändernde Gesellschaft sorgen dafür, dass Führungskräfte insbesondere anpassungsfähig sein müssen und ihr Denken und Handeln immer wieder in die aktuelle Zeit setzen. Dies gilt es erst einmal zu leisten, aber es bedeutet auch: Weiterentwicklung, Abwechslung und eine spannende Karriere in der Polizei.

Martin Meisen ist bei der Bundespolizei beschäftigt und im Ehrenamt Vorsitzender der JUNGEN GRUPPE (GDP) der Gewerkschaft der Polizei. Die JUNGE GRUPPE (GdP) organisiert 58.000 Mitglieder aus den Polizeien des Bundes (Bundespolizei, Zoll, BKA) und der Länder im Alter bis zu 30 Jahren. In dieser Funktion versteht Martin sich als Sprachrohr und adressiert die speziellen Interessen der jungen Polizeibeschäftigten, sowohl gewerkschaftsintern als auch politisch.

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