Digitalisierung der Verwaltung
Personalausweis verlängern, Steuererklärung einreichen oder Wohnung anmelden – in vielen Bereichen unseres Lebens spielt die öffentliche Verwaltung eine große Rolle. Während wir einerseits Geld binnen von Sekunden um den Erdball versenden können, heißt es andererseits in Ämtern noch allzu häufig: „Ziehen Sie eine Nummer!“
Die Interaktion von Bürger*innen und Unternehmen mit der Verwaltung soll zeitgemäßer werden, also deutlich schneller und effizienter. Deshalb wird die Verwaltung in Deutschland digitalisiert – und zwar flächendeckend. Für dieses bundesweite Großprojekt gibt es sogar eine gesetzliche Grundlage: das „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“, kurz „Onlinezugangsgesetz“ (OZG).
Insgesamt müssen über 6.000 Verwaltungsleistungen digitalisiert werden – eine Aufgabe, die der Bund, die Länder und Kommunen nur gemeinsam erfolgreich meistern können. Denn man stelle sich nur vor, jedes der 16 Bundesländer und jede der über 11.000 Gemeinden müsste die in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Verwaltungsleistungen alleine und ohne Hilfe digitalisieren. Dies wäre enorm zeitaufwändig und würde unnötige Kosten verursachen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in der arbeitsteiligen Umsetzung des OZG: Die Digitalisierung der Einzelleistungen erfolgt immer themenfeldbezogen durch je ein Bundesministerium gemeinsam mit einem oder mehreren Bundesländern sowie unterstützenden Kommunen – man spricht von einem Bund-Länder-Tandem. Dafür müssen die Beteiligten über Ressortgrenzen und Verwaltungsebenen hinweg zusammenarbeiten. Im föderalen Kontext Deutschlands stellt dies die öffentliche Verwaltung vor große Herausforderungen; es bedarf einer guten und strukturierten Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) übernimmt die FITKO (Föderale IT-Kooperation) das übergeordnete Programmmanagement der föderalen OZG-Umsetzung. Als neutrale Partnerin legt die FITKO dabei den Fokus auf eine möglichst reibungslose und effiziente Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.
Wie bereits in der Umsetzung folgt auch die Nachnutzung von digitalen Leistungen dem Prinzip der Musketiere „Einer für Alle“ oder kurz, „EfA“: Ein Land entwickelt eine Online-Leistung und die anderen Länder nutzen diese nach. Konkret: Arbeitsergebnisse der Entwicklungsprozesse sowie bereits digitalisierte Leistungen werden anderen Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt, die an der Umsetzung nicht unmittelbar beteiligt waren. Damit müssen sie nur einen Bruchteil ihrer Online-Leistungen selbst digitalisieren.
Die Nachnutzung kann dabei in vier Dimensionen betrachtet werden:
Die organisatorische Dimension beschäftigt sich beispielsweise mit der Frage, wie die Länder sich innerhalb der eigenen Ressorts aufstellen oder wie kommunale Leistungen im jeweiligen Land weitergegeben werden. Die technische Dimension thematisiert, welche Plattformen, Routingdienste und IT-Standards verwendet werden. Die finanzielle Dimension beschäftigt sich mit der Frage, wie wird die Nachnutzung finanziert und die rechtliche Dimension klärt, wie alles rechtmäßig funktionieren kann.
Doch wie erfolgt die Nachnutzung nach dem EfA-Prinzip in der Praxis?
Für den länderübergreifenden Leistungsaustausch wurde im Auftrag des IT-Planungsrats – das zentrale politische Steuerungsgremium zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung – der FIT-Store initiiert, der von der FITKO betrieben wird. Träger der FITKO sind der Bund und alle Länder. Die Träger können ihre Leistungen kostenpflichtig über den FIT-Store anderen Trägern anbieten oder von diesen erwerben. Wie eine kommunale Leistung vom FIT-Store in die Kommunen kommt, ist Länderorganisation. Aufgrund der unterschiedlichen Strukturen in den Ländern bedarf es unterschiedlicher Ansätze.
Aber von vorne: Damit der digitale Bauantrag im FIT-Store eine verfügbare Leistung wurde, musste ein sogenannter Einstellungsvertrag mit der FITKO geschlossen werden. Herzstück des Einstellungsvertrages ist die Leistungsbeschreibung, die den Online-Dienst „Bauantrag“ im Leistungsumfang inhaltlich und vor allem technisch beschreibt und Auskunft zu Voraussetzungen der Nachnutzung gibt. Diese Leistungsbeschreibung wurde vor der Einstellung in den FIT-Store aus technischer Sicht auf Plausibilität und Vollständigkeit geprüft: Sind die technischen Informationen ausreichend, um eine Entscheidung zum Erwerb treffen zu können? Oder fehlen Informationen?
Dieser „Prüfung“ werden alle Leistungen unterzogen; ist diese Hürde überwunden, wird die Leistung im FIT-Store als verfügbar präsentiert. Nachnutzungsinteressierte können der FITKO eine Interessensbekundung für einen Online-Dienst senden. Diese dient der Kontaktaufnahme mit dem umsetzenden Land und enthält erste Informationen. Die Parteien können sich in einem sogenannten Abstimmungsprozess konkret über die Anbindung (wer, wie, was, wann) verständigen. Das Ergebnis des Abstimmungsprozesses ist ein Schreiben, das Vertragsbestandteil sowohl des Einstellungsvertrages als auch des Nachnutzungsvertrages wird. Den Nachnutzungsvertrag schließt die FITKO mit Interessierten spiegelbildlich zum Einstellungsvertrag; sie kann nur veräußern, was sie erworben hat.
Der FIT-Store ist Teil des EfA-Marktplatzprojektes des IT-Planungsrats. Dieser Marktplatz wird mit der FITKO und der govdigital eG als Anbieter von EfA-Leistungen Ende 2022 starten. In Zusammenarbeit mit der govdigital eG werden die beschriebenen vertraglichen Prozesse auf eine technische Plattform übertragen. Die Nachnutzung soll über den EfA-Marktplatz kaufmännisch, aber auch technisch unterstützt werden.
Übrigens: Für den digitalen Bauantrag hat die FITKO bereits sechs Nachnutzungsverträge geschlossen.
Martin Jedrzejowski verantwortet in der FITKO (Föderale IT-Kooperation) die Koordination der OZG-Umsetzung.
Mareike Banaszak ist Juristin und koordiniert in der FITKO (Föderalen IT-Kooperation) den FIT-Store.