„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, […] und tyrannisieren ihre Lehrer.“
Na, fühlst Du Dich ertappt?
Vermutlich kennst Du die medialen Debatten, in denen sich die ältere Generation über die jüngere echauffiert. Das „Z“ in Generation Z, der Du angehörst, wenn Du zwischen 1995 und 2009 geboren bist, steht scheinbar für „Zombie“ und Du wandelst, mit Deinem Blick ans Smartphone gefesselt, ferngesteuert durch die Gegend. Übrigens: Du bist der faulsten Generation seit Menschheitsgedenken angehörig, forderst Dinge, die Dir nicht zustehen und bist über beide Ohren verwöhnt. Das lässt sich Deine Peergroup nicht gefallen! Sie hat den Alten den Kampf angesagt und denunziert in „Ok, Boomer“-Videos den verschwenderischen Lebensstil der Babyboomer (Jahrgänge 1950-1964), die den Jungen die Zukunft verbaut haben. Doch der Reihe nach: Das Zitat stammt aus der Feder des griechischen Philosophen Sokrates, der etwa 469 bis 399 v.Chr. in Athen lebte.
Sokrates war die damalige Jugend ein Dorn im Auge. Ärger und Sorge über die Jungen ist ein Jahrtausende altes Phänomen, das in Zeiten von Social Media Renaissance erfährt. Vor allem in der Arbeitswelt kommt es gegenwärtig zu einer explosiven Gemengelage. Fünf Generationen, von den Babyboomern über die Generationen X, Y, Z bis zu den Jüngsten, der Generation Alpha (ab 2010 Geborene), treffen dort aufeinander. Es kommt zu Reibungen.
Wie die Generation Z mit Unternehmen zusammenkommt
Du stehst im Urlaub am Frühstücksbuffet. Während Dir der Duft frischgemahlenen Kaffees in die Nase steigt, siehst Du, dass Du von Ahornsirup für Deine Pancakes bis hin zum Ziegenkäse-Bagel mit Lachsaufschnitt alles bekommen kannst. Freunde von Dir kamen in einer Pension unter, die mit trockenen Semmeln, einer Marmeladensorte und einem kalten Instant-Kaffee aufwartet. Es wird Dich nicht wundern, dass sich Deine Freunde zur Dir wünschen. Vor einer unglaublichen Optionsvielfalt stehen die jungen Generationen heute im Berufsleben. Über 21.000 verschiedene Studiengänge und 324 Ausbildungsberufe stehen zur Wahl. Händeringend werben Arbeitgebende um Neueinsteiger. Schließlich sind die Z´ler über vier Millionen weniger als ihre Elterngeneration, die meist X´ler sind. Mit der Folge: Viele Stellen und wenige Bewerber. Die Jungen haben die Wahl: Sich ausprobieren, ein Sabbatjahr einlegen, eine Ausbildung abbrechen, wenn sie nichts taugt oder doch studieren. Unternehmen kommen ihnen entgegen, schließlich müssen sie ihre Zukunft sichern. Etwas leidvoll blicken ältere Generationen auf die Chancen der Jungen, die sich ihre Stellen noch gegen viele Mitbewerber*innen hart erkämpften. Doch es ist nicht alles Gold, was glänz: Mit der Optionsvielfalt nimmt auch die Unzufriedenheit und Entscheidungsunfähigkeit zu. So wie Du Dir beim Biss in die Pancakes denkst, Du hättest lieber die frischgebackenen Karamellcroissants vom Buffet nehmen sollen, so geht es vielen, wenn sie sich in der Arbeitswelt entscheiden. Mit jeder Entscheidung beschleicht sie das Gefühl, falsch gewählt zu haben. Unzufrieden schielst Du auf die Croissants, wie unzufriedene Azubis sich nach anderen Optionen umsehen. Unternehmen tun gut daran, ihnen viele Optionen offen zu halten.
Und sie müssen schnell sein, wenn sie die Jungen gewinnen wollen. Per Knopfdruck einen anderen Lebensweg eingeschlagen ist möglich. Unternehmen gewinnen Junge, indem sie schnell auf Stellenbewerbungen reagieren und Vorstellungsgespräche vereinbaren sowie im Gespräch bleiben. Das heißt: Regelmäßig Rückmeldung über den Bewerbungsprozess geben, damit sich keine Alternative zwischen Bewerber*in und Unternehmen schieben kann. Das ist auch beim Feedback wichtig: Kurzfristig und regelmäßig gegeben, motiviert es bei der Arbeit. Damit werden Unternehmen den Bedürfnissen nach Schnelligkeit, aber auch nach Transparenz gerecht, die die Jungen aus der digitalen Welt gewöhnt sind. Im digitalen Raum sind sie die Expert*innen von Likes, Kommentaren und Posts und können über Internetseiten und YouTube-Videos hinter die Kulissen eines jeden Unternehmens blicken. Am besten nimmt ein*e Angestellte*r der Generation Z potenzielle Bewerber*innen mit auf eine digitale Reise durch das Unternehmen.
Den Dominoeffekt nutzen
Fehlt ein Dominostein, versiegt die Reihe. Der sogenannte „Dominoeffekt“ findet nicht statt, weil Steine stehen bleiben. Das passiert, wenn ein Unternehmen die Generation Z nicht für sich gewinnt. Der fehlende Z-Dominostein kann den Alpha-Dominostein nicht anstoßen. Da sich viele Merkmale der Generation Z durch die Digitalisierung entwickelten, müssen sich Unternehmen an die Z´ler anpassen, um die Alphas zu gewinnen. Denn die Alphas sind wie intensivierte Z´ler, mit dem Unterschied, dass sie das Digitale nicht im Jugendalter, sondern bereits in die Wiege gelegt bekommen haben.
Die Zukunft gehört den Alphas
Mindestens vier Stunden auf Social Media, 30 Werbevideos und Storys gesehen, 400 Nachrichten gelesen oder geschrieben und 20 Überschriften überflogen. Das macht die Generation Z täglich. Bei der Generation Alpha wird das Digitale so viel Raum einnehmen, dass die digitale und analoge Welt verschmelzen. Die Alphas wachsen mit anderen Umgebungskomponenten heran als alle älteren Generationen. Und Menschen formen sich in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt. Überspitzt: Andere Welt – andere Menschen. Intuitiv werden sie viele digitale Geräte bedienen. Gleichzeitig werden sie weniger „trainiert“ in der analogen Welt sein. In analogen sozialen Interaktionen, wie Telefonate führen oder in Kundenkontakt treten, werden sie Hilfe benötigen. Alphas müssen behutsam an Kommunikationsversuche in der Arbeitswelt herangeführt werden. Mentor*innen können helfen, Herausforderungen zu bewältigen.
Erschwert wird ihr Alltag durch das Smartphone, dass ihre Aufmerksamkeit regelrecht „absaugt“. In einer Studie wurden Probanden gebeten, ihr stummgeschaltetes Smartphone mit dem Display nach unten auf den Tisch zu legen, in ihrer Tasche zu verstauen oder im Nebenraum zu lassen. Am schlechtesten in puncto Konzentration schnitten die Probanden ab, die ihr Smartphone auf dem Tisch behielten. Deutlich besser diejenigen, die ihr Smartphone in der Tasche hatten, am besten diejenigen, deren Smartphone im Nebenraum lag. Alphas werden das zu gut kennen.
Widersprüche aushalten
Alphas werden zwar etwas mehr wie die Z´ler sein, doch immer noch zu Wenige, um den zukünftigen Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Zwangsläufig müssen sich Unternehmen auf die Jungen einstellen. Das Gemeckere von Jung vs. Alt hilft nicht weiter. Was hilft, ist die generationenabhängige Perspektive des anderen zu akzeptieren. Und zu akzeptieren, dass man bestimmte Verhaltensweisen eines anderen nicht verstehen kann. Man ist schließlich ein „Kind seiner Zeit“. Von der Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten, der Ambiguitätstoleranz, können wir uns alle ein Stückchen abschneiden.
Rüdiger Maas ist Psychologe, Bestseller-Autor und Leiter des Instituts für Generationenforschung mit Sitz in Augsburg und Berlin. Mit seinem Team aus Soziologen, Psychologen, Philosophen und Wirtschaftswissenschaftlern forscht der Experte für Cyberpsychologie und die Generation Z an generationenbedingten Verhaltensweisen und speist sein Wissen in den wissenschaftlichen Diskurs ein. Unternehmen und die Öffentlichkeit profitieren von seinen Keynotes, Vorträgen und Workshops.