Freitag, 29. März 2024

Erlebbare Demokratie ohne fiese Tricks – Das Kinderbuch Spielplatz-Alarm vom Netzwerk Junge Bürgermeister*innen

Ein Dienst, der begeistert

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Berlin/Hofstetten. Für Aufsehen sorgt seit wenigen Monaten ein Kinderbuch. RTL, SWR, WDR und zahlreiche regionale und überregionale Zeitungen berichteten bereits. Mehr als 50 Städte und Gemeinden in Deutschland haben seit dem bundesweiten Vorlesetag am 18. November 2022 den „Spielplatz-Alarm“ herausgebracht. Entwickelt von jungen Bürgermeister*innen in Zusammenarbeit mit einer Hamburger Firma, die auf personalisierte Kinderbücher spezialisiert ist.

Mit ausgeheckt hatte die Idee Bürgermeister Martin Aßmuth aus Hofstetten, einer kleinen Schwarzwaldgemeinde in Baden-Württemberg, zusammen mit seinem Amtskollegen Matthias Beer aus der Marktgemeinde Beratzhausen (Bayern). „Ich habe zwei kleine Kinder und zuhause wird vor dem ins Bett gehen gelesen“, erzählt Aßmuth. Ein alter Arbeitskollege aus dem Landratsamt hatte ihm eine Box voller Pixi-Bücher nach der Geburt seiner Tochter Greta geschenkt. „Aus dieser Box durfte sich meine Tochter jeden Abend zwei Büchlein aussuchen und daraus habe ich ihr vorgelesen.“ Das änderte sich, als sie das „Bürgermeister-Schwein“ entdeckte. Hofstettens Rathauschef war schockiert vom lügenden und raffgierigen Bürgermeister, der als Schwein dargestellt wurde. Aßmuth stellte Fotos aus diesem Kinderbuch in den Messenger-Chat des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen, einer unabhängigen und parteiübergreifenden Ideenschmiede von inzwischen mehr als 800 Amtsträger*innen.

Daraus folgte eine Online-Diskussion über das Bild des Bürgermeisters, und den Stereotypen, die schon den Jüngsten vermittelt werden. Ob bei „Paw Patrol“, „Bibi Blocksberg“, „Benjamin Blümchen“ oder andernorts: die Bürgermeister*innen sind meist männlich, alt, korrupt, dumm oder arrogant und oft auch alles zusammen. Dieses Bild findet sich in Filmen und Romanen ebenfalls wieder. Bereits 2005 hatte schon ein Aufsatz der Bundeszentrale für politische Bildung hierüber berichtet.

„Das müssen wir ändern“, waren sich Aßmuth und zahlreiche Mitstreiter*innen schnell einig. Ohne viel Gerede entwarf man in einer Arbeitsgruppe ein Konzept und sammelte gemeinsam Ideen, die von Henning Witzel, dem Verbandsgeschäftsführer des Netzwerks, und Aßmuth in einer ersten Storyline zu Papier gebracht wurden. Dabei achteten sie darauf das Buch nicht zu überfrachten, sondern vielmehr eine Geschichte zu erzählen, die so in jedem Ort vorkommen kann. Mit dem Hamburger Unternehmen „Framily“ fand man einen Partner, der Lust darauf hatte die Ideen der jungen Bürgermeister*innen kindgerecht umzusetzen. Im Buch verwüstet ein Sturm den Spielplatz von Ella, Nils und ihren Freunden. Dieser soll wieder aufgebaut werden, aber das ist nicht so einfach. Der „Spielplatz-Alarm“ zeigt auf, wie von den ersten Wünschen und Vorschlägen der Kinder, Kritik des Nachbarn über die Planung und Abstimmung im Gemeinderat am Ende ein neuer Spielplatz entstehen kann.

Das Kinderbuch zeigt dabei auch, dass die Bürgermeister*innen keine kommunalen Könige sind und es sich schon für die Jüngsten lohnt sich einzubringen. Wichtig war der Arbeitgruppe, dass gezeigt wird, wie junge Bürgermeister*innen arbeiten. Nämlich transparent und das Wohle aller im Blick. „Wir wollen mit den verstaubten Vorurteilen etwas aufräumen und den Kindern einen kleinen realistischen Einblick in das Berufsbild geben“, sagt Henning Witzel.

Die Bürgermeister*innen wollten, dass das Buch auf jede der 10.000 Kommunen individuell personalisierbar ist. Mit eigenem Grußwort, Bürgermeisterin-Avatar und selbstverständlich dem jeweiligen Ortsnamen. Selbst ein Logo ist mittlerweile platzierbar. Augenfarbe, Haarfarbe, Brillen, Outfit – zahlreiche Feinheiten können auf Bürgermeisterin und Kommune konfiguriert werden.

Allerorts ein voller Erfolg

Mehr als 6.000 Bücher haben inzwischen ein Zuhause in den Kinderzimmern gefunden. In Baden-Württemberg ist 2024 Kommunalwahl. Hofstettens Bürgermeister hofft, dass sich vielleicht auch über das Kinderbuch und die im Ort praktizierte Zusammenarbeit engagierte Eltern oder Großeltern ermuntert fühlen für den Gemeinderat zu kandidieren. Den „Spielplatz-Alarm in Hofstetten“ hat er im Kindergarten Sterntaler für die Kindergartenkinder und Schulanfänger vorgelesen. Mitmachen wurde dabei direkt vorgelebt, denn die Jüngesten durften ihre Vorschläge für die Freianlagen des neuen Kindergartens direkt einbringen. Ganz oben auf der Liste standen Rutsche, Kletterturm und zwei neue Fußballtore. „Ist schon in Umsetzung“, berichtet Martin Aßmuth abschließend. Das Feedback zum Kinderbuch sei ausschließlich positiv. Vom pensionierten Schulleiter bis zu den Kindern habe er zahlreiche Rückmeldungen bekommen. „Bürgermeister wie du will ich aber trotzdem nicht werden. Ich werde lieber Polizist, das ist viel spannender“, meinte ein Junge zum Schluss der Vorlese-Aktion. Und das findet Aßmuth vollkommen in Ordnung. Ideen für einen Teil 2 mit Ella und Nils haben die jungen Bürgermeister*innen auch schon.

„Uns war wichtig, dass wir uns und unseren Beruf so darstellen, wie wir sind. Ganz normal, so wie du und ich. Ich bin zuversichtlich, dass irgendwann jemand zu mir kommt und sagt, ich habe das Buch gelesen und der öffentliche Dienst ist jetzt ne‘ Option für mich. Dann feier ich darauf ne Party.“


Martin Aßmuth und Tochter

Martin Aßmuth (43) ist seit 2018 amtierender Bürgermeister von Hofstetten (Baden-Württemberg).

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