Freitag, 19. April 2024

Kurs auf Nachhaltigkeit

Mit Weitblick

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Der Haushalt ist Planungs- und Steuerungsinstrument der Stadtfinanzen. Er ist die Toolbox, um das Heute zu finanzieren, ohne das Morgen aus dem Blick zu verlieren. Wer über Nachhaltigkeit redet, muss den größten Hebel für die Maßnahmen einer zukunftsfähigen Stadtgesellschaft mitdenken: das Geld.

Nullmeridian in Greenwich (Foto: User: (WT-shared) Digr at wts wikivoyage, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Durch die Sternwarte im Londoner Stadtteil Greenwich verläuft der so genannte Nullmeridian. Das ist bekanntlich eine senkrecht zum Äquator stehende gedachte Linie, die den Nord- und Südpol miteinander verbindet und die Welt seit 1884 in Ost und West einteilt. Dieser Längenkreis ist für die Vermessung und Navigation auch heute noch elementar, und Tourist*innen aus aller Welt kommen täglich nach Greenwich, um sich auf dieser historischen, auf dem Asphalt visualisierten Linie fotografieren zu lassen: mit einem Fuß im Westen, und einem im Osten.

Wir Finanzverantwortliche stehen täglich an ähnlich wegweisenden, imaginären Landmarken. Mit unseren planerischen und steuernden Entscheidungen zum Haushalt und zur Verwendung von Finanzmitteln bewegen wir uns stets an der imaginären Grenze zwischen Heute und Morgen – mit einem Fuß in der Gegenwart und dem anderen in der Zukunft. Die kommunale Finanzwirtschaft hat die gesetzlich verankerte Aufgabe, gegenwärtige Krisen und Herausforderungen zu meistern, aber auch die Zukunft künftiger Generationen zu sichern. Nachhaltigkeit, dieses in der Forstwirtschaft begründete Prinzip, nach dem nur so viel Holz zu entnehmen ist, wie nachwachsen kann, gilt auch – und gerade – für die Finanzzentralen deutscher Städte und Gemeinden. Zukunftsfähigkeit muss bei allen Entscheidungen mitgedacht werden.

Finanzen sind Schaltzentralen der Nachhaltigkeit

Wer heute von Nachhaltigkeit spricht, denkt zuerst an Klimawandel und Energiewende, an den Rückgang der Artenvielfalt, Luftverschmutzung, Extremwetter oder Flutkatastrophen. Kaum jemand hingegen bringt dieses Prinzip mit der Rolle der Kommunen als wichtigem Impulsgeber und Akteur in der Umsetzung von Nachhaltigkeit in Verbindung. Hier vor Ort werden die Klimafolgen sicht- und fühlbar. Hier arbeiten Kommunalpolitik und Stadtverwaltung gemeinsam mit Stadtwerken und Verkehrsbetrieben an Maßnahmen zur Vermeidung von Klimafolgen und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Und nur die wenigsten denken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit wohl an die entscheidende Rolle von Finanzen. Dabei lässt sich nichts nachhaltig und langfristig bewerkstelligen, wenn die dafür notwendigen Finanzen nicht auch dauerhaft zur Verfügung stehen.

Nachhaltigkeit verlangt daher die dauerhafte Leistungsfähigkeit der städtischen Haushalte. Gleichzeitig gilt: Nachhaltigkeit kostet schon heute Geld für morgen. Klimafreundliche Energieerzeugung, Mobilitätswende, energetische Gebäudesanierung, Dachbegrünung, die Schaffung von Frischluftschneisen, all das, die Transformation einer ganzen Stadtgesellschaft hin zu Klimaneutralität, bindet heute Finanzmittel, die ihre Wirkung erst in der Zukunft entfalten. Gerade wegen dieser zeitlichen Lücke balancieren die Finanzverwaltungen deutscher Kommunen zwischen der Bewältigung aktueller Krisen, wie den Nachwehen der Coronapandemie, den Kosten infolge des Ukrainekrieges, Arbeitskräftemangel und Lieferengpässen, und dem Anspruch künftiger Generationen auf ein gutes, die eigenen Bedürfnisse befriedigen könnendes Leben.

Köln und sein Nachhaltigkeitshaushalt

Nachhaltigkeit ist daher eng verbunden mit Kommunalfinanzen. Wir in Köln wissen das. Im Juli 2019 hat Köln den Klimanotstand ausgerufen. Parallel dazu hat die Stadt begonnen, sukzessive einen so genannten Nachhaltigkeitshaushalt in mittlerweile fünf Pilotämtern aufzusetzen. Die im Haushalt abgebildeten Produktgruppen und Produkte wurden dafür mit den Sustainable Development Goals der UN und den Nachhaltigkeitszielen von Bund und Land verbunden. Damit wurde der Haushalt in diesen Pilotämtern Spiegel der Nachhaltigkeitsanstrengungen in diesen Bereichen. Nicht umsonst heißt es: Wer herausfinden will, wie nachhaltig eine Kommune denkt, der schaue nicht in die Leitlinien der Stadt, sondern in deren Haushalt!

Nachhaltige Kapitalanlagen und Finanzierungsinstrumente

Losgelöst vom Haushalt setzt Köln auf nachhaltige Kapitalanlagen. Das Finanzdezernat hat seine Kapitalanlagerichtlinien im Jahr 2020 neu überarbeitet. Neben Sicherheit und Rendite sind weitere Kriterien zu beachten: Danach dürfen unter anderem keine Geldanlagen in Unternehmen der Atomindustrie, Rüstungsgüterindustrie und mit Unternehmenszwecken rund um fossile Energieträger investiert werden, aber auch nicht in Staaten, die das Pariser Klimaabkommen nicht unterzeichnet haben. Die Einhaltung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten spielen bei der Anlagepolitik eine besondere Berücksichtigung. Köln investiert  nur noch in Geldanlagen mit ambitionierten ESG-Kriterien (E wie “Environmental”, S wie “Social” und G wie “Governance”).

Im Jahr 2023 wird Köln außerdem erstmals selbst ein Schuldscheindarlehen auf den Markt bringen, mit dem institutionelle Anleger wie Versicherungen und Fonds, mit einem fest verzinslichen Wertpapier in „grüne“ Projekte investieren können. Eine auf Nachhaltigkeit spezialisierte Ratingagentur wird kontrollieren und sicherstellen, dass die Mittel tatsächlich in Umweltprojekten landen – beispielsweise für die Erweiterung der E-Flotte der Kölner Verkehrsbetriebe oder Green Buildings.

Green Bonds machen Köln fit für die Zukunft. Noch gehört Nachhaltigkeit nicht zu den Pflichtaufgaben der Kommunen. Noch beruht Nachhaltigkeit auf Freiwilligkeit. Doch die Regularien und Vorgaben werden kommen. Das Handeln in Verantwortung für künftige Generationen ist fest in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen verankert (§1, Abs. 1). Seit 2018 hat Hessen als erstes Bundesland das Prinzip der Nachhaltigkeit als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. Deutschland hat mit der Nachhaltigkeitsstrategie Weichen gesetzt, die Europäische Union lässt mit ihrem Green Deal keinen Zweifel daran, dass europaweite strenge Regularien auch für den Finanzbereich folgen werden.

Wir Kämmer*innen sind vorbereitet. Wir stehen permanent längs der imaginären Grenze zwischen Heute und Morgen. Das von uns genutzte Instrumentarium soll die Kommunen auch bei schwierigem Fahrwasser auf Kurs halten: auf Kurs Nachhaltigkeit!


(Foto: Stadt Köln)

Prof. Dr. Dörte Diemert ist Stadtkämmerin und Dezernentin für Finanzen und Recht der Stadt Köln. Die in Düsseldorf geborene Juristin ist seit 2019 im Amt und war zuvor Stadtkämmerin für Finanzen, Beteiligungen und Europaangelegenheiten sowie Stadtdirektorin der Stadt Duisburg. Nachhaltigkeit, insbesondere nachhaltige und generationengerechte Kommunalfinanzen, sind ihr ein großes Anliegen. 

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