Dienstag, 30. April 2024

Gesund verwalten

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Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser ist Volontärin in der Online-Redaktion und kümmert sich auch um Social Media und Podcasts. In ihrer Freizeit spielt sie gerne alle Arten von Gesellschaftsspielen.

In der Bundesverwaltung spielt Gesundheit mittlerweile eine große Rolle, nämlich in Form von betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM). Wir haben den zuständigen Ressortarbeitskreis Gesundheitsmanagement des Bundesministeriums des Innern und für Heimat gefragt, um was es sich dabei handelt und welche Vorzüge so ein BGM für Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung haben kann. Die Fragen hat Annette Schlipphak beantwortet.

Was ist ein betriebliches Gesundheitsmanagement in der öffentlichen Verwaltung und was kann das beinhalten?

Vielleicht erstmal zu dem Begriff „Betriebliches Gesundheitsmanagement“. BGM ist entstanden aus der Idee, dass die Menschen ja in unterschiedlichen Lebenswelten arbeiten und leben und dass all das Einfluss auf unsere Gesundheit – und in der Arbeitswelt eben auch auf unsere Arbeitsfähigkeit – hat. Und von daher verstehen wir unter BGM in der öffentlichen Verwaltung (das gilt natürlich auch für jedes andere Unternehmen), einen systematisierten Prozess, der optimalerweise auf einer Bedarfserhebung, also einer Analyse basiert, die ausgewertet wird und von der Maßnahmen abgeleitet werden. Dann wird das Ganze evaluiert und angepasst. Dafür bedarf es entsprechender Strukturen und Personen, die sich um die Prozesse in den Behörden kümmern und das BGM unterstützen.

Jetzt die Frage, was kann das beinhalten: Es gibt zwei Bereiche. Das eine ist die sogenannte Verhaltensprävention, das ist das, was man klassischerweise unter BGF-Maßnahmen (Betriebliche Gesundheitsförderung) fasst. Dazu gehören z. B. Sportangebote, Entspannungsverfahren, Antirauchkurse, Ernährungsberatung durch die Kantine oder Fahrradaktionen etc. Also Dinge, die auf das Verhalten des oder der Einzelnen abzielen. Und auf der anderen Seite haben wir die sogenannte Verhältnisprävention. Das ist die zweite Säule und da geht es eher darum, wie sind eigentlich die Verhältnisse, in denen Menschen arbeiten und welchen Einfluss haben diese auf die Gesundheit.

So ist zum Beispiel bekannt, dass man eher in Stress gerät, wenn man dauerhaft eine sehr hohe Arbeitsbelastung, wenig Pausen und sehr verdichtete Arbeitstaktung hat. Stress wiederum kann dazu führen, dass sich der oder die Einzelne nicht genügend erholt und diese nicht vorhandene Erholungsfähigkeit kann z. B. anfälliger für Infektionskrankheiten machen oder einfach auch zu unkonzentriertem Arbeiten führen, so dass man häufiger Fehler macht.

Daher ist es in der Verhältnisprävention wichtig, dass wir auf die Mitarbeitenden schauen, z. B. Befragung als Analyseinstrument nutzen, um herauszufinden, wo die Themen in der Behörde sind, die es gilt anzugehen. Die rechtliche Begründung für das, was wir machen, kommt aus dem Arbeitsschutzgesetz mit der Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung. Dazu gehört auch ein Teil, der „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ heißt. Da schaut man nicht nur, ob es äußere Faktoren wie Licht oder Lärm oder Chemikalien gibt, die auf einen Menschen einwirken, sondern wie die psychischen Rahmenbedingungen sind. Das umfasst u. a. das Thema Führung, die Arbeitsprozesse, Arbeitsgestaltung, Umgang mit Informationen, Kommunikation, Umgang mit Wissen. Hier finden wir ein ganz breites Feld, das auch mit einer Mitarbeiterbefragung gut untersucht werden kann.

Wenn man solche Befragungen in regelmäßigen Intervallen durchführt, kann man daran auch ablesen, wie gut die Maßnahmen wirken, die man zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ergreift. Unterm Strich ist das Gesundheitsmanagement also dazu da, die Organisationen zu unterstützen, sich selber weiterzuentwickeln und ihren Beitrag dazu zu leisten, dass Beschäftigte möglichst lang, gut und gesund arbeiten können. Das ist natürlich keine Universallösung, so etwas wie Langzeiterkrankungen oder Infektionswellen werden damit nicht verhindert.

Das waren jetzt einige Vorteile, aber wie kam es dazu, dass es über die Zweitausender Jahre hinweg so viele Bemühungen gab, so etwas für die Bundesministerien zu etablieren?

Zu dieser Entscheidung haben die genannten Vorzüge geführt, die uns überzeugt haben. Zusätzlich haben wir natürlich auch gesehen, dass uns ein demografischer Wandel ins Haus steht. Immer mehr Menschen, die Ende der 50er und in den 60er Jahren geboren sind, werden jetzt oder in den nächsten Jahren in Rente gehen und die Jüngeren müssen A länger arbeiten und sind auch B weniger. Und wir wollen natürlich, dass diejenigen, die da sind, es auch gesund bis zur Rente schaffen. Wir wollen dazu beitragen, dass Menschen mit Freude bei der Arbeit sind und gesund bleiben.

Der Gedanke der Salutogenese, also der Faktoren, die sich auf die Gesundheit auswirken, kam bereits in den 70er Jahren auf. In Deutschland hat es dann ab den 80er und 90er Jahren auch Bestrebungen gegeben, gesundheitliche Unterstützung im Arbeitsalltag einzuführen. Und nach einigen Aufs und Abs ist nun seit 2021 das Thema Gesundheit ein Kapitel im Maßnahmenprogramm der Bundesverwaltung zur Nachhaltigkeit.

Davon abgesehen ist es ein kontinuierlicher Prozess, ein BGM zu implementieren und  Aktzeptanz bei allen Beschäftigten in den Behörden zu erzeugen. Man braucht hier einen langen Atem. Irgendwann ist das BGM dann so selbstverständlich, wie es z. B. in jeder Behörde ein Organisations- oder Personalreferat gibt. Im Grunde muss das Thema Personalgesundheit kontinuierlich mitgedacht werden und sollte nicht mehr wegzudenken sein. Aber bis es so weit ist, braucht man eben Geduld. Oft gab (und teilweise gibt) es keine Stellen oder Budgets für BGM. Man braucht erst mal die Strukturen sowie Bereitschaft und Offenheit für einen solchen Prozess. Und insofern finde ich es wichtig, dass das BGM den Fokus stärker auf die Beschäftigten gelegt hat. Und zwar nicht nur auf die Ergebnisse, sondern auch darauf, wie diese zustande kommen.

Das stimmt natürlich. Nun wird es in der Bundesverwaltung ja schon flächendeckend genutzt, was muss man denn als Behörde tun, um ein BGM bei sich einführen zu können?

Also wir empfehlen als Grundlage das Eckpunktepapier zum BGM, dass wir in diesem Jahr auch noch einmal überarbeiten bzw. weiterentwickeln werden – weil wir es vor 10 Jahren geschrieben haben und wir es jetzt an den aktualisierten Richtlinien der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) orientieren. Man braucht außerdem eine Behördenleitung, die versteht, dass Gesundheit bei der Arbeit eine wichtige Rolle spielt. Man sollte BGM als ein ganzheitliches, übergeordnetes Konzept verstehen, das eben nicht aus einem Sportkurs oder einem „Apfeltag“ besteht. Dieses Verständnis braucht man von der Behördenleitung, aber auch von den Führungskräften. Also was bedeutet es eigentlich, gesund zu führen? Wie sind eigentlich unsere Abläufe? Wie wollen wir miteinander umgehen? Und da sind wir dann auf dem Spannungsfeld zwischen klassischen Sportkursen oder Fahrradaktionen und auf der anderen Seite einer Form von Organisationsentwicklung, die dann gar nicht mehr den Titel Gesundheit in sich tragen muss, sondern wo es darum geht, wie gelingt eine gute Zusammenarbeit, wie sind die Prozesse, die Kultur. Und dies zahlt auf die Gesundheit von Beschäftigten ein.


(Foto: privat)

Annette Schlipphak ist Diplom-Psychologin, seit neun Jahren Referentin im Ärztlichen und Sozialen Dienst der obersten Bundesbehörden im BMI. Zuständig ist sie u. a. für die Koordination der Umsetzung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der unmittelbaren Bundesverwaltung.

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