Samstag, 9. November 2024

Perspektivwechsel – Warum die Einbindung der Nutzer*innen heutzutage unverzichtbar ist

Must read

Ausgangslage: Die Bezirksregierung Arnsberg fördert über 160 Migrant*innenselbstorganisationen mit einem Budget von über 2 Millionen Euro jährlich. Durch die Einführung einer neuen Förderrichtlinie bot sich für unsere Bezirksregierung die Chance, das Förderverfahren neu aufzustellen und zu verbessern. Dieser Herausforderung hat sich das GovLab Arnsberg zusammen mit dem beteiligten Förderdezernat gestellt.

Zunächst wurden bisherige Erfahrungen des eigenen Hauses und mögliche Probleme identifiziert. Immer wieder entsprach die Qualität der Anträge leider nicht den Erwartungen und gesetzlichen Voraussetzungen, was zeitintensive Rückfragen erforderlich gemacht hat. Die Richtlinien und Anforderungen waren zudem zu kompliziert und unverständlich formuliert, was durch die teilweise vorhandenen sprachlichen Barrieren der vielfältigen Antragsteller*innen der Migrant*innenselbstorganisationen verstärkt wurde.

Um diese Probleme zu lösen und das Verfahren zu verbessern, wurde ein gemeinsamer Service-Design-Workshop mit über 20 verschiedenen Migrant*innenselbstorganisationen durchgeführt.

Was ist überhaupt Service Design?

Service Design – häufig auch Design Thinking – genannt findet seine Anwendung bei der Suche nach nutzer*innenzentrierten Lösungen. Dieser strukturierte Ansatz bindet die Nutzer*innen von Anfang an in den Prozess der Entwicklung ein. Durch die Erstellung von Personas oder Customer Journeys können zum Beispiel der Erfahrungshintergrund, mögliche Probleme und Wünsche oder persönliche Hintergründe wie Hobbys oder Interessen festgehalten werden, um die potenziellen Nutzer*innen kennenzulernen und ein Gespür für deren Bedürfnisse zu entwickeln.

Ein interdisziplinäres, diverses Team legt diese Bedürfnisse fest und entwickelt durch konkrete Beobachtung und Befragung der jeweiligen Zielgruppe einen ersten Prototyp zur Lösung der Probleme. Durch iterative Feedbackschleifen mit direkter Beteiligung der Zielgruppe wird sichergestellt, dass eine bestmögliche Lösung erarbeitet wird.

Wie ist die Stimmung?

In Interviews und Workshops wurden verschiedene Ergebnisse festgestellt:

  • Mehr (persönlicher) Kontakt und Beratung gewünscht
  • Unverständliche Sprache (z.B. hat das Wort „Zuwendung“ viele verschiedene Bedeutungen) und zu komplexes Verfahren
  • Proaktiver Kontakt seitens der Bezirksregierung gewünscht
  • Kommunikation sollte per E-Mail erfolgen

Insbesondere die Zeit vor der Antragstellung und die notwendige Information der Antragsteller*innen ist entscheidend für den Verfahrenserfolg und damit auch für die Zufriedenheit der Antragsteller*innen. 

Stimmungskurve – Wie erlebt ihr die Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung? (Bild: GovLab Arnsberg)

Anhand dieser Ergebnisse wurden (wieder gemeinsam) verschiedene Sofortmaßnahmen und langfristige Lösungen erarbeitet, um das Verfahren zu beschleunigen und zu verbessern.

So können Antragsteller*innen nun auf Wunsch 2x pro Jahr proaktiv über den Projektablauf informiert werden. Außerdem erfolgt die schriftliche Kommunikation nun zusätzlich per Mail und mit konkreteren Informationen bzgl. des Verfahrens und der wichtigsten Termine. Für die Sachbearbeiter*innen entsteht dadurch kein zusätzlicher Aufwand, da diese Inhalte automatisch generiert werden können. Neben dem Angebot von Video-Tutorials, in denen wichtige Themen oder Formulare erklärt werden, wurde zusätzlich eine Online-Plattform mit einem Forum zur Vernetzung untereinander und einer Liste mit Antworten auf die häufigsten Fragen geschaffen.

Warum nutzer*innenzentriertes Denken wichtig ist

Auch wenn nicht alle Verwaltungen direkten Kontakt zu Bürger*innen (z.B. im Bürger*innenamt) haben, so ist ein nutzer*innenzentriertes Denken doch für alle Behörden von enormer Bedeutung. Nutzer*innen der Verwaltungsdienstleistungen müssen nicht immer die klassischen Bürger*innen sein, die einen Antrag stellen. Dies können ebenso Unternehmen, andere Behörden oder ehrenamtliche Vereine sein. Darüber hinaus haben wir auch in der eigenen Verwaltung Nutzer*innen, an die wir bei internen Prozessen denken und deren Bedürfnisse wir berücksichtigen müssen.  

Die Ansprüche dieser verschiedenen Nutzer*innen sind nicht nur unterschiedlich, sondern wandeln sich auch im Laufe der Zeit. In Zeiten, in denen die Digitalisierung und digitale Angebote wie selbstverständlich zum Leben gehören und die Gesellschaft sich immer diverser und individueller aufstellt, entstehen neue Bedürfnisse und Erwartungen, auch an die Dienstleistungen der Verwaltungen.

Gleichzeitig haben sich die angebotenen Dienstleistungen der Verwaltung selten an diese Ansprüche angepasst. Nutzer*innenzentriertes Denken ist demnach keine einmalige Aufgabe, die nur bei der Neustrukturierung von Prozessen (z.B. im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes) erledigt werden kann. Vielmehr wird Nutzer*innenzentrierung zur Daueraufgabe, in der wir unsere Angebote regelmäßig an die sich verändernden Ansprüche anpassen müssen.

Und von dieser Erweiterung des Horizontes profitieren nicht nur die Nutzer*innen, sondern auch die eigene Verwaltung, da Prozesse schneller ablaufen. Es entsteht keine Betriebsblindheit der Verwaltung und es kommen deutlich weniger Rückfragen und Beschwerden, da die Nutzer*innen besser informiert, von Anfang an in die Prozesse eingebunden und deutlich zufriedener mit den Verwaltungsdienstleistungen sind.

Natürlich hat man als Verwaltung meist nicht die komplette Entscheidungsfreiheit und kann aufgrund von Gesetzen oder Richtlinien nicht alles umstrukturieren. Dennoch bleiben innerhalb dieser Grenzen durchaus genügend Gestaltungsmöglichkeiten und Spielräume, die wir als Verwaltung nutzen müssen, um den Ansprüchen der Nutzer*innen gerecht zu werden und uns selbst zukunftsfähig aufzustellen.

Jona Bialowons ist Mitarbeiter des GovLab Arnsberg. Er treibt die digitale und kulturelle Transformation der Bezirksregierung Arnsberg voran und unterstützt als Ansprechpartner für GovTech und New Work alle Kolleg*innen im Haus. Für eine zukunftsfähige, nutzerzentrierte Verwaltung.

Das GovLab Arnsberg

Das GovLab Arnsberg ist das Innovationslabor der Bezirksregierung Arnsberg mit dem Ziel, die eigene Verwaltung für interne und externe Kund*innen zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu verbessern. Seit 2018 werden innovative Projekte und neue Ansätze in einem bewusst geschaffenen Experimentierraum gesucht, gefunden und ausprobiert.

Weitere Infos gibt es unter http://www.govlabarnsberg.de/ oder bei Twitter.

- Werbung -

More articles

Latest article