Samstag, 27. April 2024

Das Maximum erreicht

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Jörn Fieseler
Jörn Fieseler
Jörn Fieseler leitet die Berliner Redaktion des Behörden Spiegel und ist der Meinung, dass man mit Gelassenheit leichter durch's Leben kommt.

Bundesverfassungsgericht muss über Klage zum Arbeitsvorgang entscheiden

Die Tarifrunde der Länder ist zu Ende gegangen. Der Ausgang kam nicht unerwartet. Da sich beide Seiten nicht beim Thema Arbeitsvorgang einigen konnten, verständigten sich die Gewerkschaften mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf eine lineare Anpassung. Im Krankenhausbereich soll es einige Zulagenerhöhungen geben. Damit ist die Eingruppierungsproblematik nur verschoben. Um dies zu lösen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Gewerkschaften haben sogar schon einen vorsichtigen Vorschlag gemacht.

Zum 1. Dezember 2022 steigen die Entgelte um 2,8 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten – so das zentrale Ergebnis bei den Tarifverhandlungen. Je nach Entgeltgruppe und -stufe macht das zwischen 57 und 216 Euro brutto mehr im Monat (siehe Tabelle). Für Auszubildende gibt es 50 Euro pro Monat mehr, für Auszubildende im Gesundheitsbereich 70 Euro. Damit verbunden ist jedoch ein weiterer Wermutstropfen für die Beschäftigten. Die Laufzeit begann bereits zum 1. Oktober 2021. Heißt: Für die ersten beiden Monate steht faktisch eine Nullrunde zu Buche. Zusätzlich bekommen die Beschäftigten einen ordentlichen Corona-Bonus. Alle Tarifangestellten in den Ländern erhalten 1.300 Euro steuer- und sozialabgabenfrei, Teilzeitkräfte anteilig. Auszubildende bekommen 650 Euro als Corona-Sonderzahlung. Die Übernahmeregelungen für Azubis gelten weiterhin.

Tragbares Ergebnis trotz schwieriger Ausgangslage

Zudem hätten die Tarifvertragsparteien in der besonders belasteten Krankenhausversorgung überproportionale Verbesserungen vereinbart, so der niedersächsische Finanzminister mit Blick auf die Zulagenerhöhungen (siehe Hinweiskasten). Und das, obwohl die Haushalte der Länder aufgrund des wirtschaftlichen Einbruchs und angesichts staatlicher Unterstützungsmaßnahmen unter einem zusätzlichen Konsolidierungsdruck stünden.

Zulagen im Krankenhausbereich

Fünf Zulagen werden für die Beschäftigten in den Universitätskliniken und Krankenhäusern der Länder zum 1. Januar 2022 angehoben:
• So steigt die Universitätsklinik- bzw. Pflegezulage auf 140 Euro pro Monat. Davon profitieren auch die Mitarbeitenden in den Zentren für Psychiatrie in Baden-Württemberg.
• Die Intensivzulage und die Infektionszulage werden von 90 Euro auf monatlich 150 Euro angehoben.
• Im Geltungsbereich des § 43 TV-L wird die Wechselschichtzulage ebenfalls auf 150 Euro monatlich erhöht, die Schichtzulage auf 60 Euro.
Zudem erhalten Männer und Frauen, die als Diätassistent*innen, Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Masseur*innen, medizinische Bademeister*innen, (zahn-) medizinische Fachangestellte, medizinisch-technische Assistent*innen, und Gehilf*innen, pharmazeutisch-technische Assistent*innen, Physiotherapeut*innen, biologisch- und chemisch-technische Assistent*innen tätig sind, eine dynamische Gesundheitsdienstzulage von 70 Euro im Monat.
Dies gilt auch für Beschäftigte in den Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg, die als Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen und Arbeitserzieher*innen arbeiten.

Das Maximum herausgeholt

Anders die Gewerkschaften. Sie können mit diesem Ergebnis nur zum Teil zufrieden sein. Ursprünglich hatten sie fünf Prozent, mindestens aber 150 Euro (vergleiche Behörden Spiegel, September 2021, Seite 3) und für den Gesundheitsbereich einen Mindestbetrag von 300 Euro gefordert.

“Wir haben beim Arbeitsvorgang keinen Fuß breit nachgegeben. Verschlechterungen bei der Eingruppierung wird es nicht geben”, so das einstimmige Fazit der stellvertretenden Verdi-Vorsitzenden Christine Behle und von Volker Geyer, stellvertretender Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik beim DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB). “Allerdings hat das auch einen Preis gehabt: Alle Themen, die uns sonst wichtig waren, wie strukturelle Veränderungen, etwa bei der Eingruppierung der Straßenbauverwaltung oder weitere Verbesserungen für Auszubildende des Gesundheitswesens, wurden von den Arbeitgebern strikt abgelehnt”, so Behle weiter. Von der TdL habe man eine Zusage erhalten, Verhandlungsgespräche über die Arbeitsbedingungen von studentischen Beschäftigten an Universitäten zu führen. Als Basis dafür soll eine gemeinsame Bestandsaufnahme dienen.

Und Volker Geyer ergänzt: “Hinzu kommt, dass die TdL schon vor einiger Zeit eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht hat. Wenn hier ein Ergebnis vorliegt, sind wir natürlich bereit, mit der TdL über die Konsequenzen, die sich möglicherweise daraus ergeben, zu sprechen.” “Das BVerfG muss zuerst darüber entscheiden, ob Tarifvertragsparteien Grundrechtsträger sind und damit überhaupt Klagen können”, wirft Karin Spelge, Vorsitzende Richterin des sechsten Senats am Bundesarbeitsgericht (BAG), ein.

Grundsatz der Tarifautomatik

“Ich hätte nicht gedacht, dass diese Entscheidung über die Eingruppierung der Beschäftigten in den Geschäftsstellen der Gerichte so eine Brisanz entfaltet”, sagt Dr. Mario Eylert, ehemaliger Vorsitzender Richter des vierten Senats am BAG. Sein Senat hatte die Entscheidung im September 2020 getroffen und mit Verweis auf den Grundsatz der Tarifautomatik festgehalten: “Die Eingruppierung ist kein Gestaltungsakt, sondern ein Akt der einzelfallbezogenen Rechtsanwendung.” Das bedeute, die Arbeitgeber*innen werden nicht durch eine Handlung des Arbeitgebers eingruppiert. Vielmehr seien sie aufgrund der geltenden Entgeltordnung für ihr Arbeitsverhältnis und der von ihnen auszuübenden Tätigkeit automatisch in die einschlägige Entgeltgruppe eingruppiert. “Das ist schlichte Rechtsanwendung, da gibt es kein Ermessen”, bringt es Eylert auf den Punkt. Es gebe nur richtig oder falsch und am Ende falle es der Gerichtsbarkeit zu, darüber zu entscheiden, nicht den Tarifvertragsparteien.
Mit Blick auf die Praxis stellt der ehemalige Richter einen Trend zu größeren bzw. einheitlichen Arbeitsvorgängen fest. Grund dafür sind geänderte Organisationsabläufe und -formen in den Verwaltungen und Dienststellen. Dieses “Job-Enlargement” führe dazu, dass klare Konturen bei den Tätigkeiten verschwimmen würden. Wenn also die Arbeitgeber die Arbeitsorganisation ändern würden und Tätigkeiten zusammenfassen, dann ändere sich folglich die Eingruppierung. “Und das kostet mehr Geld.”

“Trotz außergewöhnlich schwieriger Rahmenbedingungen haben die Tarifvertragsparteien Verantwortung bewiesen und ein für alle Seiten tragbares Ergebnis erzielt”, sagte TdL-Verhandlungsführer Reinhold Hilbers, Finanzminister in Niedersachsen. Die Corona-Pandemie verlange den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes weiterhin Außergewöhnliches ab, dafür gebühre ihnen unser aller Dank und Anerkennung.

Entgeltordnung neu fassen

Die Eingruppierung aller Beschäftigten in den Justiz-Geschäftsstellen in die höhere Entgeltgruppe 9a ist für die Justizministerien der Länder nicht denkbar, wie aus einem Brief von Dirk Wedel, Justizstaatssekretär in NRW, an den Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz, Lutz Lienenkämper (ebenfalls NRW), hervorgeht. Und wie es seitens der TdL in den aktuellen Verhandlungen auch verhindert wurde. Solange sich im Tarifvertrag keine Klarstellung findet, werden weiterhin lediglich Einzelfallentscheidungen anhand von Gerichtsurteilen zu einer Höhergruppierung von betroffenen Beschäftigten führen. Allerdings sei es auch keine Option, Geschäftsstellen und Schreibdienst wieder zu trennen. “Diese Organisationsform garantiert seit Langem eine ebenso zeitnahe wie effektive Bearbeitung der anfallenden Tätigkeiten”, so Wedel in dem Schreiben. Einige Länder hätten deshalb einen Vorschlag zu einer Neufassung des Teils II Abschnitt 12 Unterabschnitt 1 der Entgeltordnung erarbeitet.

Bewegung bei Gewerkschaften erkennbar

Dem gegenüber könnte man sich seitens der Gewerkschaften vorstellen, die Entgeltordnung mittelfristig an die Auswirkungen der Digitalisierung anzupassen und die Entgeltordnung zukunftsfest zu machen. Ein sehr begrüßenswerter Vorschlag. Allerdings darf es nicht dazu führen, dass das ganze Regelwerk noch komplexer wird. Denn nicht nur die Expert*innen der Tarifparteien müssen die Verträge verstehen, sondern am Ende auch die Richter*innen an den Gerichten, die über die Auslegung der Vertragsparagrafen entscheiden.

EGStufe 1Stufe 2Stufe 3Stufe 4Stufe 5Stufe 6
15 Ü166,76185,10202,51213,92216,73 
15136,66151,88152,35171,63186,23191,81
14123,73133,08140,75152,35170,13175,24
13 Ü122,79129,34140,75152,35170,13175,24
13114,08122,79129,34142,06159,65164,44
12102,82110,06125,41138,88156,28160,97
1199,49106,18113,81125,41142,25146,52
1095,97102,54110,06117,73132,33136,55
9 b85,4391,7695,89107,29116,99120,50
9 a85,4391,7693,1495,89107,29110,47
880,2586,7289,8793,1496,7598,70
775,5181,5586,0989,5392,2894,69
674,2480,2283,5586,9589,1991,59
571,3377,2280,5583,7286,2687,98
468,1174,0578,2280,5582,8884,38
367,2473,0574,7277,3879,5581,38
2 Ü64,5570,2272,3875,0576,8878,38
262,7268,2269,8871,5575,3879,38
1 57,0557,8858,8859,8862,38
Basis: Entgelttabelle TV-L allgemein gültig vom 01. Januar 2021 bis mindestens 30. September 2021
(Quelle: Eigene Berechnungen)
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