New Work im Öffentlichen Dienst
Wie wir mit New Work den Öffentlichen Dienst der Zukunft gestalten, und zwar gemeinsam mit den Beschäftigten für eine moderne Arbeitsumgebung – mit dem Ziel, flexible Familien- und Karriereentwicklung zu ermöglichen.
Viele Behörden und Verwaltungen haben in der Pandemie notgedrungen digitales und mobiles Arbeiten eingeführt. Digitale Konferenz-Tools wie GoTo-Meeting, WebEx und Zoom gehören seither zum neuen Alltag – vorausgesetzt das W-Lan im Homeoffice funktioniert. Doch damit sind wir noch lange nicht in der digitalen Arbeitswelt angekommen. Jetzt geht es darum, die angestoßene Veränderung zu stabilisieren, zu institutionalisieren und für einen tatsächlichen Wandel der Behördenkultur zu nutzen – weg vom präsenzgetriebenen Hierarchiedenken hin zu einer Verwaltungskultur, die Vielfalt fördert, Barrieren abbaut und Karrieremodelle neu denkt.
Warum ist das so wichtig?
Der Öffentliche Dienst steht vor einem massiven Fachkräftemangel. Wir müssen den Ernst der Lage begreifen: Ein digitales Projekt hier, ein wenig Homeoffice da – das reicht längst nicht aus, um die Attraktivität der Verwaltung in dem Maße zu steigern, um die enorme Fachkräftelücke im Öffentlichen Dienst mit gut qualifizierte Fachkräften – und das sind vor allem Frauen – zu schließen.
Zu wenige Bewerbungen auf zu viele freie Stellen kehren den Bewerbungsprozess um: Der Öffentliche Dienst muss sich beim Nachwuchs als attraktiver Arbeitgeber bewerben!
Im Wettkampf um die besten Nachwuchskräfte werden Soft Skills zu Hard Facts: Gleichstellung zwischen Mann und Frau, Vielfalt, eine gute Klimapolitik und attraktive Arbeitsbedingungen sind für Arbeitgebende ein Muss, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen.
Wie gelingt diese Gratwanderung?
Indem wir den Öffentlichen Dienst, wie wir ihn bisher gekannt haben, umdenken und konsequent den neuen Gegebenheiten anpassen. Wir müssen Hierarchien und Prozesse hinterfragen und sie auf Zukunftstauglichkeit prüfen. Neue Zielgruppen – Digitale Natives, die stille Reserve, qualifizierte Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte – zu benennen, ist ein Anfang. Doch wir müssen sie eben auch adäquat ansprechen und da abholen, wo sie stehen. Dazu müssen wir wissen, was sie sich unter guten und erstrebenswerten Arbeitsplätzen vorstellen. Fest steht: Die papierlastige, präsenzorientierte, lediglich ausführende Tätigkeit in der paragrafenstaubigen „Amtsstube“ ist es nicht. New Work ist aus unserer Sicht der richtige Weg.
New Work umfasst mehr als nur die Digitalisierung der Arbeitswelt.
Der Begriff New Work wurde in den 1970er Jahren vom österreichisch-amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann geprägt. Sein Ansatz für die Arbeitswelt war: „Tu das, was du wirklich, wirklich willst!“ Denn nur, wenn man wirklich glücklich und zufrieden ist, steigern sich Produktivität und Innovationskraft automatisch. Und genau das brauchen wir in diesen herausfordernden Zeiten als Credo für den Öffentlichen Dienst.
New Work ist eine Haltung.
Das gilt insbesondere für den Bereich Führung, Führungskompetenz, Führungsentwicklung: New Work zielt darauf ab, eine empathische Führungskultur zu entwickeln. Geeignete Instrumente sind transparente Kommunikation, um Mitarbeitenden wertschätzend und auf Augenhöhe begegnen zu können. Starre Hierarchien sowie festgefahrene Abläufe müssen laufend auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt werden. Das funktioniert aber nur mit einer konstruktiven Feedback- und Fehlerkultur, in der unterschiedliche Meinungen bestehen können und angenommen werden.
Empathische Führungskräfte sind gefragt.
Vor allem Frauen können hier punkten. Sie bringen häufig schon viele der gefragten Voraussetzung mit, die ein empathischer Führungsstil erfordert. Doch auch die beste Intension nutzt nichts, wenn die Arbeitsbedingungen nicht passen. Noch wird der Öffentliche Dienst als Vorreiter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehandelt. Doch darauf ausruhen können sich die Dienstgebenden nicht mehr. Zunehmend äugen potenzielle weibliche Bewerberinnen prüfend in die Führungsetage einer Behörde: Wie viele Frauen sind dort in Führungspositionen und wie viele davon mit Familienpflichten? Daran lässt sich ganz einfach ablesen, ob in einer Behörde wirklich eine gute Vereinbarkeitskultur herrscht oder ob Vereinbarkeit nur funktioniert, wenn man nicht führen will. Aber wie viele können diesem kritischen Blick standhalten?
Dienstgebende müssen sich neuen Führungsmodellen öffnen.
Dienstgebende müssen sich ganz gezielt an diese Klientel wenden – mit attraktiven Angeboten und dem ehrlichen Ansinnen, etwas verändern zu wollen, eben auch und gerade im Bereich der Führung. Ein offenes Ohr und aufrichtiges Interesse für die Belange und Wünsche der Belegschaft helfen hier ebenso wie der Mut, neue Führungsmodelle auszuprobieren, wie zum Beispiel Top-Sharing oder Führen in Teilzeit eine Chance zu geben. Rund 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten im Öffentlichen Dienst sind Frauen. Und viele sagen: „Ja, ich will mich entwickeln, ja ich kann mir Führungsaufgaben vorstellen, wenn von meinem Zeitbudget auch genug für die Familie übrigbleibt.“ Wenn sie beispielsweise die Möglichkeit hätten, eine Leitungsposition in Teilzeit auszuüben oder an manchen Tagen auf Anfahrtszeiten verzichten können, weil sie geschult wurden, im Homeoffice die Teammitglieder zu lenken, dann ist das eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Nur was intern gelebt wird, kann draußen überzeugen.
Wir sehen: New Work ist nicht nur ein Thema für die Privatwirtschaft. Der Öffentliche Dienst ist der größte Beschäftigungssektor in Deutschland. Hierzulande gibt es keinen größeren Arbeitgeber und Ausbilder als den Staat. Dabei ist eines sicher: Ein zukunftsfähiger Arbeitgeber kann nur sein, wer sich der Digitalisierung, der Vielfalt, innovativen Denkansätzen nicht verschließt.
Milanie Kreutz ist die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung.
Über eine gerechte Beurteilung von Mitarbeitenden nach Eignung und Befähigung und unabhängig von ihrem Geschlecht hat Milanie Kreutz im Mai mit Dr. Eva-Charlotte Proll gesprochen. Das Gespräch könnt ihr im f4p audiotrack nachhören.