Die Berliner Finanzverwaltung hat den Beschäftigten im Landesdienst empfohlen, in ihrer Mailsignatur ihre gewünschte Anrede zu nennen. Staatssekretärin Jana Borkamp erklärt die Gründe.
Uns allen passiert es ab und zu, jedes Mal ist es unangenehm: Es kommt eine Mail oder ein Brief, der mit „Sehr geehrter Herr …“ beginnt, obwohl es „Sehr geehrte Frau …“ heißen müsste. Ein lässlicher Irrtum mag die Ursache sein – oft genug ist er einem selbst unterlaufen –, die Irritation ist trotzdem da. Man fühlt sich eben nicht „sehr geehrt“. Man fühlt sich verkannt. Wer Hugo heißt oder Emma, erlebt das nur selten. Menschen mit seltenen Vornamen – zum Beispiel meine Kolleginnen Barbro und Kabeh – erleben es häufiger. Und Menschen mit nicht-binärer oder selbstbestimmter Identität erleben es fortwährend.
Gibt es Schlimmeres im Laufe eines Arbeitstages als eine versehentlich gewählte falsche Anrede? Ganz gewiss. Sollte man deshalb schulterzuckend akzeptieren, dass manche Beschäftigte mit dieser ständigen Irritation leben müssen? Ganz gewiss nicht. Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen hat darum im Januar eine Empfehlung ausgesprochen: Beschäftige im Landesdienst können das von ihnen bevorzugte Personalpronomen und die bevorzugte Anrede in ihrer Mailsignatur aufnehmen. Das kann zum Beispiel wie folgt aussehen:
Jana Borkamp
sie/ihr, Anrede: Frau Borkamp
Es ist ein einfacher kurzer Hinweis, eine freundliche Hilfestellung an die Empfängerin oder den Empfänger. In internationalen Organisationen und an zahlreichen Universitäten ist diese Ergänzung inzwischen verbreitet. Und es gibt gute Gründe auch für deutsche Verwaltungen, diesem Beispiel zu folgen.
Für das Land Berlin arbeiten rund 131.000 Menschen. Dass diese Belegschaft in jeder Hinsicht immer diverser wird, ist unerlässlich. Nicht nur, weil die Verwaltung eine Vorbildfunktion hat. Sondern auch, weil sie Akzeptanz nur erwarten kann, wenn sie die Stadtgesellschaft in ihrer Vielfalt repräsentiert. Darüber hinaus ist es angesichts des demographischen Wandels bei der Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung geboten, diskriminierungsfrei miteinander umzugehen. Dies bemisst sich nicht zuletzt an zeitgemäßen, offenen und verantwortungsvollen Umgangsformen.
Das Land Berlin steht als Arbeitgeber zu seinen Verpflichtungen nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz, Beschäftigte am Arbeitsplatz vor Diskriminierung zu schützen und fördert Diversität und Akzeptanz. Ein Beleg hierfür sind Programme und Beschlüsse des Sentas wie das Diversity Landesprogramm und die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“. Ein weiterer Beleg ist eine organisatorische Anpassung: Die Senatsverwaltung für Finanzen hat den Bedarf für eine diversitätsbewusste Personalpolitik erkannt. Mit der Leitstelle Diversity in der Abteilung Landespersonal gibt es seit 2020 eine zentrale Stelle, die für die Verknüpfung von Diversity-Strategien mit dem landesweiten Personalmanagement ansprechbar und zuständig ist.
Sie gibt den Dienststellen unter anderem fundierte Handlungsleitfäden und Impulse zur Förderung eines wertschätzenden Umgangs mit Diversität, wie beispielsweise kürzlich die Empfehlung zur Anpassung der Mailsignaturen.
Eine häufige Frage seit der Veröffentlichung des entsprechenden Rundschreibens im Januar lautet: Ist sie die Vorbereitung zu einer verpflichtenden „Gender-Auskunft“, wie eine Boulevardzeitung titelte? Die Antwort ist ganz einfach: nein. Wer keine Auskunft geben möchte über seine gewünschte Anrede, braucht das nicht zu tun. Wer den Wunsch verspürt, hat dazu die Möglichkeit. Eine Verpflichtung besteht weder jetzt noch in der Zukunft. Es handelt sich lediglich um eine Empfehlung, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Insofern wurden die Freiheiten der Beschäftigten erweitert, nicht begrenzt.
Selbstverständlich ist dabei, dass sich die Empfehlung an alle Beschäftigten richtet, nicht nur an Personen mit seltenen Vornamen oder an nicht-binäre sowie an trans- und intergeschlechtliche Personen. Zum einen würde es einen Unterschied manifestieren, nur ihnen die Anpassung ihrer Mailsignatur zu empfehlen. Ungeachtet dessen ist es aber ein starkes Zeichen der Toleranz und Akzeptanz und Wertschätzung, wenn auch all jene ihre gewünschte Anrede nennen, die nur selten falsch angeschrieben werden.
Vielleicht macht das Beispiel Schule, und in wenigen Jahren ist es selbstverständlicher Teil der Etikette, die gewünschte Anrede in der Mailsignatur zu nennen. Vielleicht setzen sich auch andere Ideen durch. Vielleicht verliert die E-Mail als Kommunikationsmittel an Bedeutung, sodass der Vorschlag in der Zukunft anachronistisch wirkt.
Ganz gewiss aber wird die vorbeugende Arbeit gegen Diskriminierung und für die Diversität in der Verwaltung an Bedeutung gewinnen. Wer dieses Ziel erreichen will, muss sich auf den Weg machen.
Jana Borkamp wurde 1983 in Berlin geboren und ist seit Januar 2022 Staatssekretärin für Haushalt und Landespersonal in der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin. Sie hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Potsdam studiert, arbeitet seit 2009 in der Berliner Verwaltung und war von 2011 bis 2016 Stadträtin für Finanzen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Borkamp gehört der Partei Bündnis 90/Die Grünen an.