Freitag, 26. April 2024

Was bringt der Girls Day? – Persönliche Bilanz eines ambivalenten Themas

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Dr. Eva Charlotte Proll
Dr. Eva Charlotte Proll
Dr. Eva-Charlotte Proll ist verantwortlich für Unternehmensentwicklung und Digitalisierung beim Behörden Spiegel – nach außen wie nach innen. Sie ist passionierte Reiterin, macht gerne Sport und ist mit Ihrer kleinen Tochter viel draußen unterwegs.

Frauen, Familie, Beruf und Karriere – ein zerredetes Thema. Das Gerede bringt aber nichts! Ich weiß nicht, was schlimmer ist, dass all die ergriffenen Maßnahmen kaum bis wenig Wirkung zeigen und das Phänomen immer noch Gläserne Decke heißt, dass die Implikationen weiter zum schwerwiegenden gesellschaftlichen Status quo beitragen. Oder dass immer noch wenige „Role Models“ suggerieren, wie einfach doch Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen sind.

Dabei sind die Lebenswirklichkeiten, aus denen die Betroffenen zu Beteiligten werden wollen und das Umfeld, in dem Frau agiert, einerseits differenziert wie andererseits auch vergleichbar. Auf den Betrachtungswinkel kommt es an und der ist ambivalent.

Es fängt in der Schule an, der Mathematiklehrer attestiert Mädchen „schlechteres Rechnen“ qua Geschlecht. Es setzt sich in der Universität fort, wo der Professor gemischte Kurse bevorzugt, weil ‚Mädchen so häufig weinten, würden sie ein Problem nicht richtig durchdringen‘. Im Job spätestens manifestiert sich der Höhepunkt, in dem Frauen nicht befördert werden, wenn sie sich kurz vor oder nach der Entbindung befinden oder ihnen gar angeraten wird, auf Karriere zugunsten der Entwicklung ihrer Kinder zu verzichten. Die letzten beiden Beispiele sind mir widerfahren bzw. ich habe es miterlebt. Und schließlich geht es um faire Entlohnung für Kindererziehung, die nicht einer Aufwandsentschädigung gleichkommen darf. All das sind keine Einzelerfahrungen. Diese und weitere unterläuft mindestens der Hälfte der weiblichen Bevölkerung bewusst.

Der öffentliche Dienst gilt in vielerlei Hinsicht als Vorbild, was die weibliche Beschäftigtenquote, faire Bezahlung und Work-Life-Balance angeht. Aber wie schon oben angedeutet: Vorbilder allein reichen nicht – vor allem weibliche Vorbilder.

Da ist zum einen das subjektive Empfinden einzelner Frauen, nicht gerecht behandelt zu werden. Da ist zum anderen die tatsächliche Herausbildung von Stereotypen. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass weinende Babys öfter für Mädchen gehalten werden, neugierige Babys, sind – na klar – überwiegend Jungen. Wer so etwas in die Wiege gelegt bekommt, legt es sein Leben lang nicht ab und praktiziert am Ende das, was der Soziologe Hartmann mit „Die Elite rekrutiert sich selbst“ beschrieben hat oder auch die Gläserne Decke genannt wird.

Aber hilft da der Girls Day, der am Bewusstsein und der Sensibilisierung junger Mädchen für MINT-Berufe rütteln soll? Nein! Er veranschaulicht, wie spannend technische Berufe sein können, zeigt auch, was Mädchen in MINT-Jobs erreichen können und wie sie dann zur Bundeskanzlerin aufsteigen können. Auch Inszenierungen können helfen, das Thema voranzutreiben, aber es reicht nicht! Es reicht nicht!

Und wo sind all die Männer, die ihren Frauen den Rücken stärken, wo sind die Männer, dich sich für Frauen bei Bundeswehr, Polizei und Feuerwehr eingesetzt haben? Die Uniformen in den 90er und 00er Jahren individuell umgenäht haben? Kommt raus und zeigt euch, zeigt, wie es auch andere Männer vormachen müssen!

Mir wird vorgeworfen, innerbetrieblich inversiv-sexistisch zu sein. Dabei mache ich eigentlich nur den Mund auf, wenn ich auf Gender-Missstände hinweise, sei es der Kommentar über das Outfit, sei es die Meldung, auf Messehostessen zu verzichten.

Ich habe einen Ehemann, der gerade sieben Monate Elternzeit hinter sich hat und nun Teilzeit arbeitet – wofür? Damit ich im Beruf von sexistischen Sprüchen umgeben werde? Und damit mein Mann komisch angeguckt wird, wenn er sagt, was er getan hat? Unser Familienmodell ist nach wie vor die Ausnahme. Fühle ich mich dadurch als Vorbild? Nein! Ich bin durchaus in einer komfortablen Situation, aber wenn ich in aktuellen Bucherscheinungen lese, wie einfach es sei, zu verzichten (auf die Zeit mit dem Kind, auf die Karriere im anderen Fall, auf eigene Interessen oder was auch immer), dann muss ich sagen – Vorbildcharakter verfehlt. Es ist nicht einfach und es ist auch nicht mit guter Laune wegzulächeln.

Meinetwegen bin ich inversiv-sexistisch. Ich bin keine Verfechterin der Frauenquote, aber wo sie notwendig ist, muss sie her und wo Stereotype aus dem vorvergangenen Jahrhundert herrschen, gehören sie abgeschafft. Da brauchen wir überall, ob im Öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft, andere Instrumente. Unternehmens- oder verwaltungsinterne wie externe Women-Netzwerke, Gehaltstabellen, flexible Arbeitszeitmodelle bringen in 10 Jahren Erfolge. Ein Professor, der am Ende Noten vergibt, wird wohl kaum von den Studentinnen für seine diskriminierenden Äußerungen angezeigt, gar weist man ihn darauf hin.

Geschlechtergerechtigkeit oder -diversität ist ein generationenübergreifendes Thema, bei dem jede und jeder ein Päckchen tragen muss.

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