Freitag, 26. April 2024

Abwechslungsreich und spannend

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Der Programmbereich „Transformation des Staates in Zeiten der Digitalisierung“ forscht seit 2016 an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Recht, Digitalisierung und Verwaltungsreform. Unter der Leitung von Prof. Dr. Mario Martini bin ich für die Koordination der organisatorischen und inhaltlichen Arbeit in unserem Team zuständig. Einerseits sind wir eine typische Forschungseinrichtung: Das Gros der Forschungsreferent*innen verfasst eine juristische Dissertation mit Bezug zu aktuellen Digitalisierungsfragen, wir schreiben Fachtexte und halten Vorträge bei Tagungen. Zwischen der wissenschaftlichen Qualifikation der Mitarbeiter*innen und unserer Programmforschung am FÖV können dabei sinnvolle Synergieeffekte entstehen. Im besten Fall gehen die Promotion und Publikationen im Programmbereich Hand in Hand. Andererseits sind wir Teil eines Instituts, das sich die „Forschung über und für die öffentliche Verwaltung“ auf die Fahne geschrieben hat. Durch die aktuellen Fragen, die wir erforschen, entstehen viele Forschungsergebnisse, die den Gesetzgeber, die Verwaltung oder andere Akteure unmittelbar inspirieren. So hat unser Werk „Blackbox Algorithmus – Grundfragen einer Regulierung Künstlicher Intelligenz“ etwa wichtige rechtspolitische Impulse gesetzt, die sich teilweise im Entwurf für einen „Artificial Intelligence Act“ der EU-Kommission niedergeschlagen haben.

Als Koordinator bin ich an zahlreichen administrativen und inhaltlichen Prozessen beteiligt – von der Ausschreibung neuer Stellen, über die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen des FÖV, die Vorbereitung von Gremiensitzungen und Vorträgen bis hin zur fachlichen Begleitung einzelner Publikationsvorhaben. Bereits im Jahre 2015 hatte ich das Glück, Prof. Martini dabei zu unterstützen, das erste Forschungsprogramm unseres Bereichs auszuarbeiten – und gerade jüngst habe ich in einem Vortrag bei der turnusmäßigen Evaluation des FÖV die letzten Jahre in unserem Forschungsbereich vor der Bewertungsgruppe Revue passieren lassen.

Mittlerweile kenne ich die Prozesse am Forschungsinstitut, die wissenschaftlichen und politischen Debatten rund um die Digitalisierung und die Feinheiten der Antragstellung für Drittmittelprojekte sehr gut. Dadurch habe ich einen Überblick und genug Erfahrung, um die täglichen Fragen im Team zu verstehen und in die jeweils passende Richtung zu leiten. Meine persönliche Aufgabe sehe ich nicht nur darin, gleichsam den Laden am Laufen zu halten, sondern auch niedrigschwellig als Mentor für fachliche Fragen bereitzustehen, Konfliktpotenzial zu erkennen und kooperativ zu lösen. In unserem Team arbeiten Studierende, frisch examinierte Jurist*innen, Referendar*innen und Post-Docs gemeinsam an Publikationen und Forschungsprojekten.

Anders als so manche IT- oder Digitalisierungsabteilung in der öffentlichen Verwaltung nutzen wir die Vorteile einer mobilen Zusammenarbeit in unserem Forschungsbereich schon seit weit vor der Corona-Pandemie. Von unseren Dienstlaptops aus schreiben wir kollaborativ an Dokumenten in der Cloud, pflegen gemeinsame Literaturdatenbanken für Fußnotennachweise und treffen uns im digitalen Raum für Teambesprechungen. Wir chatten, teilen Inhalte, telefonieren und treffen uns (soweit es die Corona-Situation zulässt) manchmal persönlich – etwa beim gemeinsamen Sommerfest oder Weihnachtsessen in Speyer. Innerhalb unserer Arbeitsstruktur entsteht so viel Raum für selbstbestimmtes Arbeiten und dynamische Kommunikationsprozesse über einzelne Publikationsprojekte hinaus. Wer will, kann die Büroräume des FÖV in Speyer und Berlin nutzen, aber wir arbeiten auch im heimischen Arbeitszimmer, in der WG-Küche, in Unibibliotheken oder Cafés. Dort tun wir meist das, was wissenschaftliche Forschung so spannend, aber auch beschwerlich macht: Wir lesen, denken und schreiben.

Doch zugegeben: Die hauptsächlich digitale Zusammenarbeit birgt auch Herausforderungen. Es gibt bei uns kaum zufällige Begegnungen in Kaffeeküchen oder auf dem Flur. Die kurze Frage beim Kollegen nebenan, die in ein langes Streitgespräch über die Auslegung einzelner Rechtsvorschriften mündet, und tief in der Nacht beim gemeinsamen Bier im Domhof endet, ist die Ausnahme. Dafür sind Chatgruppen, digitale Kaffeepausen und Besprechungen zu unseren Publikationen an der Tagesordnung. Auch dadurch entstehen niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten. Zu einzelnen Themenbereich etablieren wir ad-hoc-Gruppen, die sich regelmäßig austauschen – inhaltlich und persönlich. So entsteht ein virtueller Raum, der sowohl der Eigenbrötlerin als auch dem Socializer Raum für die individuelle Kommunikation belässt. In den letzten Jahren haben sich auch viele der Kolleg*innen in Berlin angesiedelt, wo wir – neben Speyer – einen zweiten physischen Ort der Zusammenarbeit haben. Ich verstehe es als meine Aufgabe, Kommunikationsräume zu eröffnen und Forschende mit gemeinsamen Interessen und Schwerpunkten zusammenzubringen.

Oftmals bin ich der erste Kontaktpunkt für Fragen zum Arbeitsablauf, zum Umgang mit unseren digitalen Hilfsmitteln – aber auch für die ganz alltäglichen Sorgen und Nöte im wissenschaftlichen Alltag. Dabei ist es gerade in einem digitalen Arbeitsumfeld wichtig, klare Zuständigkeiten zu etablieren und die anfallende Arbeit bestmöglich im Team zu verteilen. Das ist nicht immer leicht – gerade weil wissenschaftliche Prozesse (positiv gewendet) sehr agil, ja in Ihrem Erkenntnisprozess schwer voraussehbar sind. Ich fühle mich manchmal wie der SCRUM-Master, der die tausend Zeilen Code zusammenzubringen und die einzelnen Akteure miteinander zu verknüpfen versucht. Die Phasen vor einer Veröffentlichung sind dabei besonders herausfordernd: letzter Feinschliff, Formatierung, Fußnoten überprüfen.

Um den Kolleg*innen das Vertrauen zu schenken, bei mir auf ein offenes Ohr zu treffen, ist Zugewandtheit und Empathie gefragt – wenn man an einer komplexen Rechtsfrage nicht weiterkommt, einen Sparringpartner für inhaltliche Diskussionen sucht oder einfach Tipps braucht, um die Höhen und Tiefen der interdisziplinären Forschung zu meistern. Ein Stück weit sind der Umgang mit inhaltlichen Zweifeln, die richtige Balance zwischen Detailfragen und Verständlichkeit in einem Text und das Ringen um einen guten Stil immanent für die Arbeit in der Forschung. Ich sehe meine Aufgabe deshalb stets auch darin, den (gerade neuen) Kolleg*innen ein realistisches Bild der wissenschaftlichen Forschung und auch des akademischen Habitus zu vermitteln. Denn in der Wissenschaft läuft vieles anders als in einer klassichen Behörde, in der Justiz, in einer Kanzlei oder in Unternehmen.

Die hohe Fluktuation einer Einrichtung, an die Absolvent*innen kommen, um einen Doktortitel zu erlangen führt naturgemäß auch dazu, dass die Gesichter häufig wechseln. Einerseits ist es immer wieder schön, den frischgebackenen Absolvent*innen den Weg in die Forschung zu erleichtern und ihnen das Handwerk des guten wissenschaftlichen Schreibens näherzubringen – andererseits ist es jedes Mal schade, wenn uns ein*e Forschungsreferent*in nach Abschluss der Dissertation und erfolgter Einarbeitung wieder verlässt.

Neben der Organisation unseres Forschungsteams und der Koordination unserer Programm- und Drittmittelforschung bin ich auch inhaltlich in viele Publikationsprozesse eingebunden – mal tiefer, mal oberflächlicher. Durch meine langjährige Erfahrung im wissenschaftlichen Schreiben stehe ich gerade jüngeren Kolleg*innen bei den Tücken einer textbasierten Forschung zur Seite – von Fragen eines guten Schreibstils, über die Gliederung und Konzeption eines Aufsatzes bis hin zur inhaltlichen Qualitätssicherung am Ende. Auch dabei ist Fingerspitzengefühl und gute Kommunikation gefragt – denn in der textbasierten Forschung lassen sich Geschmacksfragen, bewährte Praxis und Regeln des guten Schreibstils nicht immer klar voneinander trennen.

Abschließend kann ich sagen: Die Position, die ich ausübe, eröffnet mir viel Raum zur persönlichen und professionellen Weiterentwicklung. Die inhaltliche und organisatorische Führung in einem Forschungsbereich erfordert viele Kompetenzen, die man so in der Universität nicht gelernt hat. In der Wissenschaft zu arbeiten, ist abwechslungsreich und spannend. Die Unabhängigkeit und Freiheit, die man in der Forschung genießt, und die politische Relevanz und Dringlichkeit unserer Themen sind jeden Tag ein schöner Grund aufzustehen.

Michael Kolain ist Koordinator des Bereichs „Transformation des Staates in Zeiten der Digitalisierung“ am Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung. Seine Forschungsinteressen sind die regulatorische Begleitung neuer Technologien (etwa Blockchain, Robotik, Künstliche Intelligenz), Digitalisierungsprozesse in Staat und Gesellschaft, E-Government sowie das Datenschutzrecht. Er ist Mitglied im Expert Panel des European Blockchain Observatory and Forum (EUBOF), engagiert sich als Verbrauchervertreter im Bereich der DIN- und CEN-Normierung und bringt sich regelmäßig mit Vorträgen und Artikel in die rechts- und netzpolitische Debatte ein.

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