Freitag, 26. April 2024

Die Herausforderungen kleinerer Verwaltungen bei der Digitalisierung – und was daraus gelernt werden muss

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Es ist wie so oft: Auch beim Onlinezugangsgesetz (OZG) gibt der Bund die Ziele vor,
die Umsetzung bleibt den Kommunen überlassen. Doch viele kleinere Gemeinden
und Städte fühlen sich alleingelassen. Ohne spezialisiertes Personal sind die
Herausforderungen des OZG nicht zu meistern. Dadurch droht die Umsetzung des
OZG zu scheitern, wodurch auch die Akzeptanz und Nutzung durch die Bürger*innen
in realistischer Gefahr ist.

Welche Herausforderungen haben Kommunen?

In Deutschland machen die Städte und Gemeinden bis 10.000 Einwohner rund 80 %
aller Kommunen aus (vgl. statista). Doch in dieser Gemeindegröße gibt es massive
Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Umsetzung des OZG. Wie stellen
sich diese konkret da?

Zum einen sind die Kommunen abhängig von der Entwicklungsgeschwindigkeit der
Länder. Diese stellen in der Regel die digitalen Verwaltungsleistungen mit Online-
Prozessen. Jene werden von den Städten und Gemeinden dann entsprechend
konfiguriert und anschließend in der Verwaltung implementiert. Das bedeutet aber
auch, die Kommunen können theoretisch nur so schnell sein, wie die Länder.
Natürlich stellt sich die Frage, wieso agieren sie nicht mit mehr Eigeninitiative und
Aktivismus? Dieser Ansatz zeigt ein noch viel größeres Thema: Häufig gibt es in
diesen Kommunen niemanden, der sich hauptamtlich um die Umsetzung des OZG
kümmert (beispielsweise ein*e Digitalisierungsbeauftragte*r oder Chief Digital
Officers). Es ist nahezu unmöglich, qualifiziertes Fachpersonal in Teilzeit zu
bekommen. Und selbst, wenn die Aufgabe der OZG-Umsetzung intern verteilt
werden kann, dann ist die Umsetzung eigener Prozesse technisch so komplex und
inhaltlich aufwändig, dass die Erstellung eigener Prozesse für die Kommunen keine
Alternative darstellt. Durch diese Herausforderungen zeigt sich in den Rathäusern
leider, dass die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen eine sehr untergeordnete
Rolle in der Fülle der Aufgaben spielt. Die Erfahrung zeigt auch, dass die
Bürgermeister*innen dem Thema Digitalisierung gerne häufig eine höhere Priorität
zuweisen möchten – es scheitert also keineswegs an einem Unverständnis zu
diesem Thema – sondern die Umsetzung lässt sich schlicht schon personell nicht
realisieren.

Wie beziehen die Kommunen Informationen zum OZG und wie gut sind diese?

Angenommen, eine Kommune findet eine Lösung für die personelle Frage. Im
nächsten Schritt stellt sich ganz klar die Aufgabe, sich zur Umsetzung des OZG zu
informieren. In Baden-Württemberg hat sich vor allem der Gemeindetag als
Vermittler zwischen den einzelnen Kommunen und dem „Ministerium für Inneres,
Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg“ etabliert. Darüber hinaus gibt es
selbstorganisierte Gruppen und Foren, über die ein interkommunaler Austausch
zustande kommt. Damit haben vor allem die kleineren Kommunen die
Möglichkeit, sich mit den größeren auszutauschen und dadurch Erfahrungswerte
abzufragen. Aber auch hier muss wieder sehr viel Rechercheaufwand und
Austausch proaktiv durch die Kommunen erfolgen. Auch an diesem Punkt zeigt sich,
wie wichtig es ist, dass diese Rolle personell in den Kommunen übernommen
werden kann. Sofern das nicht der Fall ist, übernimmt in der Regel der/die
Hauptamtsleiter*in die Aufgabe, sich mit den anderen Kommunen im Umkreis zum
OZG auszutauschen und dadurch auf Stand zu bleiben.

Wie sieht die Unterstützung aus?

Laut meinen Erfahrungen gibt es kaum bis keine Unterstützung durch den Bund, die
Länder bieten teilweise Unterstützung. Was sich in Baden-Württemberg als hilfreich
erwiesen hat, ist das Programm „Kommunale Digitallotsen“. Über dieses ist viel
Austausch möglich und es werden wichtige Basics für den Umgang mit der
Digitalisierung erarbeitet. Nichtsdestotrotz ist es für die ausgebildeten Digitallotsen
häufig nicht möglich, aufgrund der technischen Komplexität und den restlichen
Aufgaben eigene Prozesse selbst umzusetzen bzw. die Implementierung eines
Online-Prozesses inklusive Bezahlfunktion und Fachverfahrenschnittstelle zu
betreuen.

Eine bezahlte, externe Unterstützung stellt für die Verwaltungen durchaus eine
Möglichkeit dar. Allerdings ist es auch hier ratsam, eine Schnittstellenfunktion intern
im Haus zu schaffen.

Welche Konsequenzen ziehen sich hieraus?

Das Ziel der vollständigen Umsetzung des OZGs bis Ende 2022 erscheint
zwischenzeitlich unabhängig von der Verwaltungsgröße als überaus ambitioniert –
wenn nicht sogar als unmöglich. Gewiss ist das OZG und die damit verbundene
Digitalisierung eine wichtige Grundlage für ein digitaleres und dadurch flexibleres
und dynamischeres Leben. Gerade auch in den vergangenen Monaten durch die
Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass eine analoge Betreuung vor Ort für
sämtliche Bürgerangelegenheiten eben auch seine Tücken hat. Durch immer
größeren Fachkräftemangel in den Verwaltungen müssen dringend effiziente
Lösungen ermöglicht werden. Eine davon ist die Digitalisierung von
Verwaltungsdienstleistungen. Vor allem die kleineren Verwaltungen drohen
abgehängt zu werden und den Anschluss zu verpassen. Das wäre im
Umkehrschluss fatal, da die örtliche Verwaltung für nahezu alle Bürger*innen die
erste Anlaufstelle für Verwaltungsstellen ist.

Lösungen und Aufgaben für 2022

Als kleinere Verwaltung ist es essentiell, den Mut und die Vision der Digitalisierung
nicht zu verlieren. Sicherlich ist es in vielen Fällen nahezu unmöglich,
Verwaltungsleistungen mit selbst erstellten Onlineprozessen umzusetzen. Dennoch
ist es für die Bürger*innen beispielsweise eine Hilfe, Anträge bereits als (ausfüllbares) PDF
online abzurufen. Anschließend ist es empfehlenswert, sich an die Umsetzung eines
simpleren Online-Prozesses mit Bezahlfunktion zu machen und dadurch auch
wichtige Erfahrungen zu sammeln. Wer das bisher noch nicht getan hat, sollte jetzt
mit einem Prozess wie zum Beispiel „Hund anmelden“ starten und danach weitere
Prozesse digitalisieren. Startet jetzt!

Für Bund und Länder zeigt sich, dass die Unterstützung der kleineren Verwaltungen – sei es monetär, informativ oder personell – sicherstellt, dass die Digitalisierung der
Verwaltungsdienstleistungen auch in der Praxis gelingen wird. Genau hier gilt es
auch 2022 anzusetzen und die dringend benötigte Unterstützung zu bieten.

Besonderer Dank an Daniel Kietz (Bürgermeister der Gemeinde Riegel a.K.), Peter
Schumacher (Bürgermeister der Gemeinde Dunningen), Matthias Weckbach
(Bürgermeister der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen) sowie Julien Christof
(Hauptamtsleiter der Gemeinde Heddesheim).

Anna-Maria Skoric (27) ist Beraterin bei der hitcom gmbh und Mitglied der N3GZ. Die Beratung und Betreuung von Kommunen in der Umsetzung von digitalen Services gehören zu ihren täglichen Aufgaben.

(Foto: Matthias Hangst)

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