Mittwoch, 8. Mai 2024

Ausbildungs-Update für den Öffentlichen Dienst

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Der Staat muss nicht nur für die Bürger*innen digitaler werden, sondern ebenso für seine Beschäftigten. Eine zukunftsfähige Verwaltung, die auch in den kommenden Jahren qualifizierten und motivierten Nachwuchs für sich gewinnen will, erfordert eine konsequente Digitalisierungs- und Modernisierungsstrategie, die bereits bei der Ausbildung ansetzt.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt: In Sachen digitaler Staat ist noch reichlich Luft nach oben. In jeder Hinsicht. Nicht nur der gezielte und flächendeckende Netzausbau und digitale Zugänge zu den Verwaltungsdienstleistungen müssen jetzt endlich vorangebracht werden. Auch in den Amtsstuben brauchen wir moderne digitale Ausstattung und agiles Arbeiten. Ausdrücklich auch im Ausbildungsbereich. Während der Lockdowns brauchten die Fachhoch- und Berufsschulen des Öffentlichen Dienstes und der privatisierten Bereiche lange, um sich auf Online-Unterricht einzustellen und diesen dann auch umzusetzen. Natürlich können die Praxisphasen nicht adäquat im Homeoffice umgesetzt werden, und durch den fehlenden sozialen und fachlichen Austausch mit Kommiliton*innen, anderen Auszubildenden und Kolleg*innen bleiben Lern- und Ausbildungsziele auf der Strecke. Doch das bedeutet keinesfalls, dass der Öffentliche Dienst in der Ausbildung auch in Zukunft weiter ausschließlich auf analogen Pfaden wandeln sollte.

Denn eines muss allen Entscheidenden in Bund, Ländern und Kommunen mit Blick auf ihr Personal von morgen klar sein: Junge Menschen sind Digital Natives. Sie wachsen mit digitalen Medien und agiler Kommunikation auf und erwarten dieses Umfeld auch in der Ausbildungs- und Arbeitswelt. Ihr Potenzial muss anerkannt und genutzt werden. Im Idealfall sprechen öffentliche Arbeitgebende die Lebenswelt der Digital Natives und ihr Potenzial gezielt an, um sie und ihr technisches Know-how für den Staatsdienst zu gewinnen und ihre Motivation zu steigern. Angefangen bei der Ausbildung, bei Lerninhalten wie Materialien. Wenn sich alles ins Digitale verlagert, sollten doch bitteschön auch Studierende und Auszubildende im Öffentlichen Dienst ihre Ausbildung nicht mehr mit viel zu schnell überholten Gesetzestexten oder dem nie enden wollenden Einsortieren von Loseblattsammlungen verbringen. Gesetze und Kommentierungen müssen selbstverständlich digital zur Verfügung gestellt werden. Und wenn „juris“ oder andere Plattformen zu teuer sind, müssen der Bund und die Länder eben eine eigene Plattform bauen. Es kann nicht sein, dass junge Menschen privat auf dem neusten Stand der Technik sind und dann schon während ihrer Ausbildung zurück in die Steinzeit katapultiert werden.

Abgesehen von einem Update auf eine zeitgemäße IT-Infrastruktur braucht es auch eine Entstaubung der Lehrpläne: Weniger Schriftgutverwaltung, mehr eGovernment in allen Fächern, Erlernen neuer Kompetenzen – fachlich-technisch (funktionsbezogen plus IT), sozial (Teamwork, Arbeitsteilung, Koordination, Projektmanagement, agiles Arbeiten), individuell (Selbstschutz vor Dauerbelastung, Work-Life-Balance) sowie disziplinübergreifend (Erlangen möglichst breiter Allgemeinbildung für mehr Flexibilität plus Spracherwerb). Es versteht sich von selbst, dass auch die Lehrenden und Ausbildenden entsprechend fit gemacht werden müssen, um optimale Lehr- und Lernergebnisse zu erzielen, sowohl in der Didaktik als auch im Umgang mit Technik. Neue Methoden und digitale Lehrwege erfordern ein hohes Maß an Agilität und entsprechende Qualifikation. Dieses neue agile Agieren muss freilich auch von allen Führungskräften an den Tag gelegt und gelebt werden – warum hier nicht bundesweite Standards etablieren und entsprechende Trainings anbieten?

Die Präsenzlehre sollte auch künftig Ausbildungs-Standard bleiben – der formelle und informelle soziale wie fachliche Austausch zwischen Lernenden und Lehrendenden von Angesicht zu Angesicht kann durch nichts ersetzt werden. Dennoch dürfen als Ergänzung dieses Standards gerne flexible digitale Formate hinzukommen, nicht zuletzt auch als weiterer Lernraum für die spätere Berufspraxis, wo ebenfalls eine Flexibilisierung des Arbeitens mit allen denkbaren digitalen Varianten (Videokonferenzen, Bürgerberatung online etc.) absehbar ist. Damit verbunden ist das Bedürfnis junger Menschen nach mehr grundlegender Flexibilität bei der Planung und Gestaltung ihrer Ausbildung. Das aktuelle System ist oft zu starr für die spezifischen Lebenssituationen der Menschen. Abhilfe können Modelle wie Ausbildungen in Teilzeit sein, aber ebenso eine flächendeckende Erweiterung der Möglichkeit, Ausbildungszeit und Ausbildungsort in einem angemessenen Rahmen flexibel zu gestalten, also im Homeoffice arbeiten oder Fort-/Weiterbildungen auch mobil wahrnehmen zu können.

Und last but never least gehört natürlich auch die Modernisierung des Staats an sich zum Ausbildungs-Update – welcher junge Mensch möchte schon an Verwaltungshandeln beteiligt sein, das, mit normalem Menschenverstand betrachtet, in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und irrsinnig kompliziert daherkommt? Die Aufgaben im Staatsdienst an sich müssen attraktiv sein. Viele junge Menschen finden die sinnstiftenden Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst cool und wollen da gerne mitmachen, aber wenn sie dann „live“ sehen, wie rückständig da streckenweise agiert wird, suchen sie das Weite. Deswegen müssen Verwaltungsprozesse kritisch hinterfragt, überflüssige Vorgänge ganz bewusst abgeschafft werden. Natürlich kennen die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes aus ihrem Alltag – von „amazon“ bis „Zalando“ – das Prinzip Once-Only und fragen sich völlig zurecht, warum das bei ihrem Arbeitgeber, dem Staat, nicht auch schon längst Usus ist. Sie verdienen eine schnelle Antwort.

Es gibt also viel zu tun bei Vater Staat – packen wir’s an!

Karoline Herrmann ist Vorsitzende der dbb jugend, die die Interessen der jungen Menschen im Öffentlichen Dienst vertritt und mit rund 150.000 Mitgliedern eine der größten jugendgewerkschaftlichen Organisationen in Deutschland ist. Herrmann kommt aus Mecklenburg-Vorpommern und machte nach der Schule zunächst eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutsche Bank PGK AG und anschließend das duale Studium für die Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt in der allgemeinen Verwaltung bei der Landeshauptstadt Kiel. Heute arbeitet sie als Landesbeamtin in der Koordinierungsstelle Bundesrat und Innenministerkonferenz im Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern.

(Foto: Tinett Kähler)

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