Freitag, 26. April 2024

Steuerverschwendung bei der digitalen Staatsmodernisierung

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Lora Köstler
Lora Köstler
Lora Köstler-Messaoudi ist Redakteurin für Öffentliche Finanzen und Haushalt beim Behörden Spiegel. Privat ist sie lieber mit dem Fahrrad als mit dem Auto unterwegs und eine Freundin der vegetarischen Küche.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat sein 49. Schwarzbuch mit Steuergeldverschwendungsfällen vorgestellt. In einem Sonderkapitel widmete er sich dabei der Digitalisierung. Insgesamt hat der Verband im aktuellen Schwarzbuch 100 exemplarische Fälle auf kommunaler, Landes- sowie Bundesebene recherchiert.

In dem Sonderkapitel “Digitale Staats-Modernisierung” untersuchte der Verband die Bedeutung der Digitalisierung aus Sicht der Steuerzahler. Der Fokus liegt dabei auf der Verwaltung sowie dem öffentlichen Gesundheits- und Bildungswesen. “Auch die schleppende digitale Modernisierung des Staates ist eine Form der Steuergeldverschwendung! Denn die erheblichen Potenziale der Digitalisierung für Entbürokratisierung und mehr Effizienz sind bekannt – eine konsequente digitale Modernisierung der öffentlichen Verwaltung könnte Bürger*innen, Unternehmen und der Verwaltung selbst viel Zeit und somit mehrere Milliarden Euro pro Jahr einsparen”, betonte BdSt-Präsident Reiner Holznagel bei der Präsentation des Schwarzbuches.

Die große Aufmerksamkeit für die Digitalisierung seit Beginn der Pandemie sei nun eine Chance. Jetzt müssten die richtigen Lehren aus der bisher langsamen Digitalisierung gezogen werden. Dabei zeige die Erfahrung, dass mehr Steuergeld alleine die Probleme nicht lösen werde. Oft werde vorschnell nach mehr Geld für die Digitalisierung gerufen. Fakt sei aber, dass erhebliche Summen zur Verfügung stehen, die zum Teil nur wenig genutzt werden würden.

Digital-TÜV für Gesetze

Grundlegende Voraussetzung für die Digitalisierung seien vielmehr moderne Strukturen. Das betreffe zum Beispiel den Datenbestand der öffentlichen Verwaltung, einen unkomplizierten digitalen Nachweis der eigenen Identität oder auch einen Digital-TÜV für neue Gesetze. Mit diesem soll sichergestellt werden, dass alle Vorhaben auf Digitaltauglichkeit geprüft werden. “Ich meine, dass es sogar Zeit für eine neue Föderalismusreform ist, um Bund, Länder und Kommunen digitaltauglich zu entflechten”, so Holznagel.

Zudem fordert der Verband, statt der Schaffung eines neuen Digitalministeriums, die Bündelung von Verantwortung und Kompetenz in einem bereits bestehenden Ministerium, das gegebenenfalls um eine schlagkräftige Digitalagentur ergänzt wird.

Darüber hinaus könne der Staat viel dafür tun, Wettbewerb und Innovationen zu ermöglichen – beispielsweise, indem er öffentliche Daten konsequent elektronisch zur Verfügung stellt und für die Beschaffung von Software innovative Vergabeverfahren entwickelt. Insgesamt sollte der Staat seine begrenzten Ressourcen auf genau die Felder fokussieren, bei denen es tatsächlich Marktversagen gibt, um nicht private Initiativen zu verdrängen und den Wettbewerb einzuschränken. “Die Entwicklung eine Autobahn-App gehört definitiv nicht zu den Aufgaben des Staates”, kritisierte Holznagel im Rahmen der Pressekonferenz.

Breitband in der Gartenlaube

Bei seinen Recherchen zur Digitalisierung ist der BdSt wir auf Fälle gestoßen, bei denen aus Sicht des Verbandes mit dem Geld der Steuerzahler nicht sparsam umgegangen wurde.

Ein Beispiel seien die digitalen Covid-Impfzertifikate. “Sie sind praktisch und werden gut angenommen. Das Problem ist, dass sie millionenfach nachträglich ausgestellt werden mussten, weil zu Beginn der Impfkampagne kein digitaler Impfausweis zur Verfügung stand”, kritisiert Holznagel. In anderen Ländern gebe es diesen Nachweis bereits seit Jahren. Das nachträgliche Ausstellen habe das Verfahren betrugsanfälliger, aufwändiger und damit am Ende teurer für die Steuerzahler gemacht.

Dauer-Probleme bereite auch der Breitbandausbau. Zwar werde er mit vielen Milliarden Euro Steuergeld gefördert, doch sei er nicht immer zielgerichtet. So wurden im brandenburgischen Borkheide zum Teil unbewohnte Gartenlauben mit Glasfaseranschlüssen versorgt. Im sächsischen Landkreis Bautzen führte veraltetes Kartenmaterial bei der Planung dazu, dass Breitband in einem Gebiet mit Garten- und Wochenendhäusern verlegt wurde, während Wohngrundstücke im selben Ort zum Teil ausgeklammert wurden.

Viel komplexer sei die Neuordnung der IT des Bundes. Seit 2015 wird daran gearbeitet. Nach derzeitigem Stand werde das Projekt später abgeschlossen als geplant. Zudem seien die Kosten explodiert: So sollte die IT-Konsolidierung Bund zunächst einen “mittleren zweistelligen Millionenbetrag” kosten. Mittlerweile gehe die Bundesregierung davon aus, dass das Projekt 3,4 Milliarden Euro kosten wird.

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