Freitag, 26. April 2024

Entlastung für Beschäftigte durch gute Regelungen

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Gesunde Arbeit mitgestalten

Gute Arbeitsbedingungen sind keine Selbstverständlichkeit, sie müssen erkämpft und gestaltet werden – auch im Zuge der Digitalisierung. Gute Arbeitsbedingungen erhalten und fördern die Gesundheit. Am besten werden sie tarif- und betriebspolitisch festgeschrieben.

Digitale Arbeit und die Zunahme von Arbeitshetze

Eine Befragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit hat für den Dienstleistungssektor ergeben, dass die Arbeitshetze bei digitaler Arbeit größer ist als bei nicht oder kaum digitalisierter Arbeit. In der IKT-Branche (Information, Kommunikation, Technik) zeigt sich das besonders deutlich: Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass die Arbeitsbelastung mit der Digitalisierung gewachsen ist. Zugenommen hat auch die Arbeitsmenge. Die Belastungen wiederum beeinflussen maßgeblich die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten. Diese Ergebnisse belegen: Um Belastungen abzubauen und Arbeitshetze zu verringern, müssen die Beschäftigen an der Gestaltung ihrer Arbeit beteiligt werden. Wer seine Arbeit selbständig planen kann und Einfluss auf die Arbeitsmenge hat, gibt seltener an, sich (sehr) häufig in der Arbeit gehetzt zu fühlen.

Öffentliche Verwaltungen – höhere Belastung und geringer Einfluss

In der von ver.di herausgegebenen Sonderauswertung für den Dienstleistungsbereich zeigt die Befragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit für die öffentlichen Verwaltungen: 93 Prozent der Befragten sind in ihrer Arbeit von Digitalisierung betroffen. 63 Prozent der Befragten mit einem (sehr) hohen Digitalisierungsgrad der Arbeit berichten von einem Anstieg der zu bewältigenden Arbeitsmenge, und 64 Prozent davon, die Anzahl der gleichzeitig zu bearbeitenden Vorgänge sei größer geworden. Etwas über die Hälfte der Befragten meinen, die Überwachung und Kontrolle ihrer Arbeitsleistung sei größer geworden. Nur ca. ein Fünftel der Befragten geben an, sie könnten Einfluss auf den Technikeinsatz an ihrem Arbeitsplatz nehmen, und 43 Prozent, sie hätten bei der Arbeit (sehr) häufig das Gefühl, der digitalen Technik ausgeliefert zu sein.

Die Pandemie treibt die Arbeitsbelastungen

Die Corona-Krise hat den Trend zur Überarbeitung verstärkt. In der Pandemie habe die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um 10 Prozent zugelegt. Vor allem durch den steigenden Anteil von Homeoffice sei in vielen Branchen die Grenze zwischen Freizeit und Arbeit verschwommen, viele Angestellte würden und müssten länger arbeiten.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat durch Corona noch einen Schub erfahren. Das zeigen die Daten der Repräsentativbefragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit 2021. 46 Prozent der Befragten berichten von neuer Software und neu eingesetzten Apps. Nach dem DGB-Index Gute Arbeit 2021 bekommen jedoch ein Viertel der Beschäftigten nicht die Unterstützung, die sie für den Umgang mit der neuen Technik brauchen würden. Ebenfalls ein Viertel erhält nicht die notwendigen Schulungen, um mit den neu eingeführten digitalen Arbeitsmitteln gut umgehen zu können (DGB 2021). Das führt zu mehr Belastungen.

Offensive für gute Regelungen

Ver.di setzt sich deshalb für gute digitale Arbeit ein: D.h. insbesondere die psychischen Belastungen durch eine zu hohe Arbeitsmenge und überzogenen Erreichbarkeitserwartungen müssen abgebaut werden. Zu guter digitaler Arbeit gehört u.a. ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Aber auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz muss verbindlich umgesetzt werden. Deshalb fordert ver.di Sanktionen, da noch zu wenig in den Betrieben und Verwaltungen eine gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Auch das Aufsichtspersonal, das die Umsetzung in den Betrieben und Verwaltungen kontrolliert, muss dringend aufgestockt werden. Die Beschäftigten müssen an der Gefährdungsbeurteilung mitwirken und sich einbringen können. Nur mit Beteiligung können bei der Beurteilung aussagekräftige und praxisrelevante Ergebnisse herauskommen; ihre Erfahrungen münden in der Regel auch in wirksame und vernünftige Abhilfe- und Schutzmaßnahmen.

Um die Ziele Gute Arbeit, Entlastung und Prävention betrieblich erreichen zu können, sind die Mitbestimmung, tarif- und betriebspolitische Regelungen zentrale Voraussetzungen. Dazu sind erforderlich: Kenntnisse des Mitbestimmungsrechts im Arbeits- und Gesundheitsschutz, Kenntnisse des Arbeitsschutzrechts, das Nutzen der Erfahrungen aus anderen Betrieben oder Tarifverträgen, bewährte Bausteine für Regelungen und betriebliche Initiativen.

„Praxis gestalten“ mit Erkenntnissen und Erfahrung

Dafür hat ver.di. die Publikationsreihe „Praxis gestalten“ entwickelt. Die Broschüren bieten Tipps für ein effektives, strategisches Vorgehen, wenn gesundheitspolitische Initiativen an den Start gehen oder vorbereitet werden und bieten jeweils Bausteine für die Ausgestaltung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen sowie Tarifverträgen. Der Bereich Gute Arbeit und Innovationen sowie die Grundsatzabteilung Tarifpolitik haben bisher vier Broschüren der Reihe publiziert, zuletzt die beiden Bände „Gesunde Arbeit“ und „Veränderungsprozesse in der Digitalisierung gestalten“ (zuvor „Mobile Arbeit“ und „Agiles Arbeiten“). Grundlegend für alle Initiativen ist die bewährte Online-Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung von ver.di, die seit Jahren verbessert und aktualisiert wird. Sie hilft dabei, einen beteiligungsorientierten betrieblichen Prozess zu entwickeln, bietet Praxishilfen, verweist auf Rechtsgrundlagen und die Mitbestimmung von Betriebs- und Personalräten.

Egal, ob eine Initiative zur Umsetzung guter Arbeitszeiten bevorsteht, die Regelung der Gefährdungsbeurteilung geplant ist oder eine umfassende Vereinbarung für ein Gesundheitsmanagement angestrebt wird: Die Bände der Reihe „Praxis gestalten“ vermitteln kurz und bündig Hintergrund, Anregungen für betriebliche Lösungen und einen Fahrplan für das Vorgehen. Die Unterpunkte enthalten jeweils Kriterien/Regelungspunkte für Gute Arbeit sowie Auszüge aus bereits umgesetzten Vereinbarungen und Tarifverträgen. Die Gliederung der Publikationen orientiert sich am Aufbau von Vereinbarungen.

Da Beschäftigte auch mithilfe digitaler Tools wie Tracking- und Dokumentationssystemen zum Tempo angetrieben werden, brauchen wir neue Tarifverträge und dienstliche oder betriebliche Vereinbarungen. Für diese bietet ver.di Hilfestellung, die mit den Kolleg*innen gestaltet werden sollen: um deren Gesundheit zu fördern und Arbeit menschengerechter zu gestalten.

Dr. Nadine Müller leitet den Bereich Innovation und Gute Arbeit in der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin. Sie ist promovierte Sozialwissenschaftlerin, Diplom-Psychologin und gelernte Datenverarbeitungskauffrau.


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