Freitag, 26. April 2024

Pop-up-Bikelanes

Von A nach B

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Die beschleunigte Mobilitätswende

Bis vor zwei Jahren war das Phänomen “Pop-up-Bikelanes” in Deutschland kaum verbreitet. Ihr Name ist der Tatsache geschuldet, dass die neuen Radwege sprichwörtlich dort aus dem Boden sprießen, wo vorher keine Radwege existierten. Im Koalitionsvertrag des Hamburger Senats von 2020 wurden vier Pop-up-Bikelanes als Verkehrsversuche beschlossen und wenig später eingerichtet. In kürzester Zeit wurden so rund vier Kilometer hochwertiger Fahrradinfrastruktur geschaffen.

Die verkehrliche Situation in der Hansestadt ist bundesweit auf Städte und Metropolen übertragbar. Der Straßenverkehr, wie er heute organisiert ist, kann die steigende Verkehrslast in einer wachsenden Stadt wie Hamburg auf Dauer nicht bewältigen. Der Straßenraum in dicht besiedelten, urbanen Gebieten ist stark begrenzt. Allein in Hamburg wurden 2017 rund 70 Millionen Personenkilometer quer über alle Verkehrsträger verteilt abgewickelt, Tendenz steigend. Und auch wenn die Corona-Pandemie diese Zahlen zwischenzeitlich gedämpft hat, kehren wir allmählich auf das vorherige Niveau zurück.

Ausgangspunkt: Mobilitätswende

Eine effiziente Mobilität kann in den kommenden Jahrzehnten nur gesichert werden, wenn die Verkehrslast neu verteilt wird. Der Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr ist dabei unsere Chance, den Verkehr nicht nur flüssig, sondern auch klimaneutral abzuwickeln. Ein Treiber sind auch die ambitionierten Klimaziele, die uns im Verkehrssektor zum sofortigen Handeln verpflichten. Der Auftrag an die Politik ist klar: Neben den Investitionen in den ÖPNV-Ausbau muss auch der Radverkehr durch hochwertige und sinnvoll vernetzte Radwege gefördert werden – Hamburgs Ziel sind 30 Prozent Radverkehr bis 2030.

Mit dieser Ausgangslage haben wir uns auf den Weg gemacht, schnelle Lösungen zu finden, mit denen wir den Radverkehr so komfortabel und sicher gestalten können, dass Menschen unabhängig von Alter und Fitness das Fahrrad als attraktive, kostengünstige und klimafreundliche Alternative zum Kfz für sich entdecken.

Die Hamburger Pop-up-Radwege

Sinn und Zweck, und damit auch herausragendes Kriterium für die Standortauswahl, war die Herstellung einer hochwertigen Fahrradinfrastruktur mit wichtiger Verbindungsfunktion in der Stadt. Radwege, die im Nirgendwo enden, sind für viele Radfahrende ein Ärgernis und sie verfehlen das Ziel, beliebte Anlaufpunkte wie Bezirkszentren, Einkaufsstraßen oder Naherholungsgebiete an das bestehende Radwegenetz anzubinden.

Positive Verkehrseffekte

Wie gesetzlich vorgegeben wurden im Anschluss an die einjährigen Versuchsphasen Evaluationsberichte erstellt, welche die positiven Effekte der neuen Radwege belegen. Untersucht wurden unter anderem die Abwicklung des Kfz- und Radverkehrs, das Stauaufkommen sowie das Unfallgeschehen. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: Zunächst hat der Radverkehr breite Radwege erhalten und damit einen eigenen Platz auf der Straße. Die Radwege wurden gut angenommen und streckenweise konnte sogar ein Anstieg des Radverkehrs von bis zu 30 Prozent verzeichnet werden. Auch die Verkehrssicherheit wurde erhöht, zusammengefasst konnte ein Rückgang der Unfallzahlen gegenüber den Vorjahren verzeichnet werden. Zudem wurden weniger Konflikte mit Fußgänger*innen beobachtet und auch das verkehrswidrige Gehwegradeln hat deutlich abgenommen. Befürchtungen, dass der motorisierte Verkehr durch die Radwege ausgebremst werden könnte, haben sich im Übrigen nicht bewahrheitet. Alle Verkehre konnten weiterhin leistungsfähig abgewickelt werden. Und zu guter Letzt wurden die Evaluationen auch genutzt, um Verbesserungen für das weitere Vorgehen zu sammeln. Neben der Verstetigung der vier Radwege wurden zum Beispiel auch die Einrichtung von Ladezonen oder das Anbringen von Leitelementen zur noch deutlicheren Trennung zum Kfz-Verkehr empfohlen.

Die Pop-up-Radwege sind ein großer Erfolg und erfahren breite Zustimmung, das bestätigen auch die begleitenden Umfragen zu den Maßnahmen. Mit den Radwegen haben wir kurzfristig neue Verbindungen im Radwegenetz geschaffen, die eine hohe Akzeptanz erfahren und den Bedarf und die Nachfrage an hochwertigen Radwegen belegen. Die Verkehrsversuche zeigen außerdem, welcher Qualitätsstandard nötig ist, um Radfahren noch attraktiver zu machen: breite, geschützte Radwege mit klarer Trennung vom restlichen Verkehr.

Und jetzt?

Das Arbeitspaket Pop-up-Bikelane ist abgeschlossen und wird in ein neues überführt. Im nächsten Schritt schlagen wir einen Weg ein, mit dem Hamburg genauso schnell, aber dafür dauerhaft neue Radwege schafft, nämlich durch sogenannte “Radfahrstreifen mit beschleunigter Planung”. Der Grund dafür ist einfach und pragmatisch: Die temporären Pop-up-Radwege liefen als einjähriger Verkehrsversuch. Sie konnten zwar zügig eingeführt werden, binden durch die aufwendige Auswertung nach Ablauf der Testphase aber erneut Zeit, Ressourcen und Arbeitskraft in der Verwaltung, um dann verstetigt zu werden, was erneute Bau- und Markierungsarbeit erfordert. Das ist auf Dauer wenig effizient und zu langsam, um unsere Verkehrs- und Klimaziele in der gegebenen Zeit zu erreichen und den Anteil des Radverkehrs am Modal Split deutlich zu erhöhen.

Für die beschleunigte Planung sammeln wir Vorschläge in den Bezirken, von Bürger*innen und von politischen Gremien, die dann in einem Schnellverfahren auf mögliche Auswirkungen auf den Kfz- und den Busverkehr sowie die Verträglichkeit mit den vorhandenen Ampelschaltungen geprüft werden. Und wenn der Vorschlag alle Kriterien erfüllt, können wir rasch in die Umsetzung gehen. Anhand der weißen Straßenmarkierung und rot gefärbten Kreuzungsbereiche wird dann auch deutlich: Dieser Radweg ist auf Dauer angelegt und kein Verkehrsversuch.

So behält Hamburg das Tempo bei, das für die Mobilitätswende notwendig ist, setzt aber bewusst nicht weiter auf temporäre Lösungen, sondern auf anhaltende Verbesserung für den Radverkehr. Die Mobilitätswende muss weiter Fahrt aufnehmen und dazu gehört in erster Konsequenz die richtige Infrastruktur, bevor wir von den Menschen erwarten können, vermehrt auf das Fahrrad zu steigen. Es ist unsere Aufgabe in den Ländern und Kommunen, hier die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen.

(Foto: Senatskanzlei Hamburg)

Martin Bill ist Staatsrat bei der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende der Freien und Hansestadt Hamburg.

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