Freitag, 26. April 2024

Hör mal, wer da hamstert – Die BLE sorgt vor

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Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser ist Volontärin in der Online-Redaktion und kümmert sich auch um Social Media und Podcasts. In ihrer Freizeit spielt sie gerne alle Arten von Gesellschaftsspielen.

Umweltkatastrophen, Unfälle in Kernkraftwerken, militärische Spannungen und Kriege, Streiks, weitläufige Tierseuchen und Terroranschläge – all diese Punkte haben eines gemein: Sie können zu Engpässen bei der Nahrungsmittelversorgung führen. Um in einem solchen Ernstfall schnell handeln zu können, sammelt der deutsche Staat schon seit vielen Jahren Vorräte in rauen Mengen an. 

Diese Vorräte sind unter dem Begriff „staatlicher Lebensmittelnotvorrat“ zusammengefasst. Dieser setzt sich wiederum aus zwei Kategorien zusammen: der „Bundesreserve Getreide“ und der „Zivilen Notfallreserve“.

Und was genau wird hier gelagert?

Im Falle der Bundesreserve handelt es sich um große Mengen von Weizen, Roggen und Hafer. Das Getreide soll hauptsächlich zu Mehl weiterverarbeitet werden, damit daraus Brot gebacken werden kann. In der Notfallreserve finden sich Hülsenfrüchte wie Erbsen und Linsen, sowie Reis und Kondensmilch. Damit soll gewährleistet werden, dass auch in Krisenzeiten wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag ermöglicht werden kann. Die Wahl fiel aus zwei Gründen auf diese Lebensmittel: Zum einen wurden ernährungsphysiologischen Gründe beachtet, zum andern liegt es aber natürlich auch an der langen Haltbarkeit und guten Lagerfähigkeit der genannten Güter.

Wenn wir hier aber von „großen Mengen“ sprechen, was heißt das dann konkret? Die aktuellsten Angaben stammen von Ende 2021. Hier ist die Rede von insgesamt 705.000 Tonnen Getreide, 126.000 Tonnen Hülsenfrüchten und Reis, sowie 5000 Tonnen Kondensmilch. Jedoch soll dieser Vorrat nicht dazu dienen, alle Einwohner*innen Deutschlands über einen längeren Zeitraum hinweg voll zu versorgen. Viel mehr dient es dazu, kurzfristige Engpässe in der Bevölkerung zu überbrücken. Je nach Anzahl der zu versorgenden Personen und Größe der täglichen Rationen pro Person könnte der Vorrat von ein paar wenigen Tagen, bis hin zu mehreren Wochen ausreichen.

Würde nun ein Ernstfall eintreten, ist es gesetzlich so geregelt, dass zunächst die Bundesländer selbst versuchen eine Lösung zu finden. Erst wenn das nicht mehr ausreicht, können sie den Bund um Hilfe bitten. In einem solchen Fall müssen die einzelnen Länder dann auch angeben, wie viel benötigt wird und der Bund entscheidet über die Zuteilung und stellt die Ressourcen bereit. Für das Abholen und Weiterverarbeiten sind dann wieder die Bundesländer zuständig.

Tatsächlich kam der Vorrat aber bisher noch nie zum Einsatz. Lediglich 1999 gab es eine außerplanmäßige Verwendung, bei der ein Teil des damaligen Vorrats an Bundeswehr und zivile Hilfsorganisationen im Kosovo gesendet wurde, weil dort wegen Flüchtlingsbewegungen kurzzeitige Nahrungsmittelengpässe aufgetreten waren. Würde der Staat allerdings erst in einem Krisenfall mit Beschaffungsmaßnahmen für einen solch großen Vorrat anfangen, würde dies Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung auslösen und beispielsweise zu Hamsterkäufen führen. Was die Krise noch weiter anheizen würde.

Die ganze Maßnahme ist auf eine Idee aus dem kalten Krieg zurückzuführen und wird von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), einer Behörde des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verwaltet. Die BLE kümmert sich um den Einkauf, die Lagerverwaltung und den Verkauf, wenn die Güter durch neuere Waren ausgetauscht werden müssen. Da es sich dabei um sehr lange haltbare Nahrungsmittel handelt, die auch unter guten Bedingungen gelagert werden müssen, können sie problemlos nach einem Lagerzeitraum von 10 Jahren „gewälzt“ werden. „Wälzen“ bedeutet in diesem Falle, dass der alte Bestand nach lebensmittelrechtlichen Anforderungen wieder auf den Markt gelangt und dafür mit neuer Ware nachgefüllt wird. Für den Notvorrat gibt es in Deutschland ca. 150 Lagerorte, deren genauer Standort jedoch absichtlich geheim gehalten wird, um beispielsweise Plünderungen in Extremsituationen vorzubeugen. Zudem überprüft das BLE auch regelmäßig die Bestände und die Lagerbedingungen auf Hygienemaßnahmen und ähnliches, um die Langlebigkeit der Vorräte zu gewährleisten. Lediglich die Kondensmilch fällt nicht unter den Wälzungs-Prozess, denn hierfür werden mit Milchbetrieben Verträge geschlossen, dass sie eine bestimmte Menge an Kondensmilch für den Staat auf Lager haben müssen.

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