Freitag, 26. April 2024

Spendenzwang statt „Containern“? Das ist die französische Realität:

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Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser ist Volontärin in der Online-Redaktion und kümmert sich auch um Social Media und Podcasts. In ihrer Freizeit spielt sie gerne alle Arten von Gesellschaftsspielen.

In Frankreich gibt es seit Anfang 2016 das „Loi Garot“, also ein Gesetz, dass Supermärkte ab einer Größe von mindestens 400m² dazu verpflichtet, nicht verkaufte Lebensmittel an Tafeln und ähnliche Spendenorganisationen zu geben oder es als Tierfutter oder Kompost zu recyceln. Mit diesem Vorstoß war Frankreich weltweit das erste Land, dass ein solches Gesetz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln an den Start brachte. Mittlerweile haben auch andere Länder nachgezogen – wie Italien oder Tschechien zum Beispiel.

Der Ansatz des Loi Garot geht auf eine Petition des französischen Anwalts und Gemeinderatsmitglieds der Sadt Courbevoie, Arash Derambarsh, zurück, der damit 2015 mehr als 200.000 Unterstützer für die Einführung eines solchen Gesetzes sammelte. Anfang 2016 wurde es dann auch von der französischen Nationalversammlung einstimmig abgesegnet.

Natürlich gibt es auch Kritiken zu dem Erlass, weil einige der Meinung sind, dass das Gesetz noch nicht weit genug geht. Denn Lebensmittel werden tatsächlich nur zu einem sehr kleinen Teil durch den Einzelhandel verschwendet, während an anderer Stelle noch viel mehr weggeworfen wird. Unter anderem tragen Hersteller, Kantinen und Restaurants, die Landwirtschaft und natürlich auch die Endverbraucher*innen viel zu der Verschwendung bei. Aus diesem Grund wurde das Gesetz auch 2020 auf Kantinen und die Lebensmittelindustrie ausgeweitet.    

So viel zu der theoretischen Umsetzung, aber wie sieht es praktisch aus? Weil Kontrollinstanzen fehlen, sind viele Supermärkte einfach zu bequem, um sich an das Gesetz zu halten. Auch wenn sich das Durchführen der Maßnahmen durchaus lohnen würde, während bei Verstößen hohe Geldstrafen drohen. Das Problem: Wo kein Kläger, da kein Richter. Denn solange es nicht aufgedeckt und angezeigt wird, können die Supermarktbetreiber den einfachen Weg wählen und die Lebensmittel im Müll entsorgen – meist noch durch Chemikalien wie Chlor ungenießbar gemacht. Denn die Unternehmen scheuen die notwendige Logistik, obwohl dieser Mehraufwand durchaus auch Vorteile hat: Wer seine übrig gebliebenen Nahrungsmittel spendet oder recycelt, bekommt 60% des Warenwerts von der Steuer abgezogen.

Allgemein wird das Gesetz aber als Erfolg angesehen, denn der Prozentsatz an gespendetem Essen für die Tafeln ist unterm Strich kontinuierlich angestiegen. Jeden Morgen fahren Freiwillige mit Kühllastern zu den Supermärkten, Bauern und Herstellern um die Spenden für die „Banques Alimentaires“ und ähnliche Organisationen abzuholen. Dazu haben sich auch einige Start-Ups gegründet, die sich um Logistik, Vermittlung und digitale Lösungen kümmern wollen. Denn gerade die Logistik ist ein wichtiger Punkt, damit die schnell verderblichen Lebensmittel noch rechtzeitig verteilt werden können. Allgemein stellt das geringe Haltbarkeitsdatum eine Herausforderung dar, für die es verschiedene Lösungsansätze gibt. Beispielsweise wird in manchen Einrichtungen aus den gespendeten Nahrungsmitteln direkt ein fertiges Gericht gekocht, was dann an Bedürftige verteilt werden kann.

Bestrebungen, das Gesetz EU-weit durchzusetzen gibt es durchaus und auch in Deutschland wünscht sich eine klare Mehrheit ein solches Gesetz. Jedoch wird hierzulande, ähnlich wie beim Nutri-Score, auf freiwillige Teilnahme seitens der Unternehmen gesetzt, was einen deutlich geringeren Erfolg mit sich bringt.  

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